Dr. Mai Thi Nguyen-Kim ist Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin. Während ihrer Doktorarbeit an der Harvard University gründete Dr. Mai Thi Nguyen-Kim den YouTube-Kanal ‘The Secret Life Of Scientists’. Ihr Ziel ist dabei, Wissenschaft wie eine ‘Seuche’ im Land zu verbreiten. Diese Mission verfolgt sie inzwischen auf allen Kanälen: Als Ranga Yogeshwars Nachfolgerin moderiert sie im WDR die Wissenssendung ‘Quarks’. Für ‘funk’, das Online-Angebot von ARD und ZDF, produziert sie den YouTube-Kanal ‘maiLab’. BREMER-Autorin Fanny Quest führte mit der mehrfach ausgezeichneten Autorin ein exklusives Interview.

BREMER: Woher kommt deine Leidenschaft für Chemie?
Dr. Mai Thi Nguyen-Kim: Mein Vater hat mich früh angesteckt. Er ist auch Chemiker. Chemie war für mich ‘Lebenswissen’: Wie man leckeres Essen kocht, was der Unterschied zwischen Shampoo und Spülung ist, warum wir durchs Schwitzen abkühlen – Chemie war für mich schon immer Teil des Lebens und des Alltags.

Siehst du die Welt anders durch die ‘Chemie-Brille’?
Chemie ist der Schlüssel zu einer unsichtbaren Welt! Sie macht uns Moleküle ‘sichtbar’, den Stoff, aus denen wir und das Universum aufgebaut sind. Moleküle zu verstehen heißt, unser Leben, unsere Welt, unser Universum besser zu verstehen. Und ist das nicht grundmenschlich? Zu versuchen, die Welt besser zu verstehen? Ich glaube fest daran, dass ein Interesse an Chemie ganz natürlich die menschliche Neugier anspricht – man muss nur die richtige Sprache finden.

Was hast du in deinem Leben geändert, als du den chemischen Prozess dahinter verstanden hast?
Naja, man könnte sagen nix! Jeder kommt auch ohne Wissen über chemische Prozesse wunderbar durchs Leben. Gebe ich zähneknirschend zu. Aber! – Abgesehen von der Faszination, die wirklich großen Spaß machen kann, ist ein allgemeines wissenschaftliches Grundverständnis unglaublich wichtig. In letzter Zeit gab es so viele wissenschaftliche Themen, die politisch und gesellschaftlich hoch relevant waren: Diesel, Impfpflicht, Fridays for Future, Organspenderegelung. – Wir sollten besser über Chemie, Biologie, Medizin, Physik, Geologie und so weiter Bescheid wissen! Sonst können wir keine guten Entscheidungen treffen.

Was hat Liebe mit Chemie zu tun?
Sehr viel! Doch wir verstehen nur einen Bruchteil der Liebeschemie. Klar kennen wir zum Beispiel das Kuschelhormon Oxytocin oder wir wissen, was im Körper vor sich geht, wenn wir Schmetterlinge im Bauch haben. Doch Liebe ist eines der großen Geheimnisse, die die Wissenschaft vielleicht niemals ergründen wird.

Du erzählst von Früh- und Spätaufstehern, kann man sich aussuchen, zu wem man zählt?
Nur bis zu einem gewissen Grad. Tageslichtlampen oder viel rausgehen hilft, die innere Uhr zu stellen, doch unsere innere Uhr ist auch in unseren Genen kodiert. Ich zum Beispiel bin eine richtig fiese Eule. Bei Quarks konnte ich das anhand meiner Genaktivität im Blut testen lassen: Meine innere Uhr ist um 2,5 Stunden verschoben. Das heißt, wenn mein Wecker morgens um 7 klingelt, ist es in meinem Körper gerade mal 4:30 Uhr! Das erklärt so einiges…

Was man schon immer über Chemie wissen sollte…
Das Kuschelhormon Oxytocin hilft Präriewühlmäusen, die monogam leben, den Partner fürs Leben zu finden. Da soll mal einer sagen, Chemie sei kühl und unromantisch. (Googelt mal Präriewühlmäuse. Sehr süß, diese treuen Nager.)

Wissenschaft ist für dich…?
Freude! Und die Rettung der Menschheit.

Hast du einen Wunsch?
Mehr wissenschaftlicher Spirit! Mehr wissenschaftliches und kritisches Denken, auch oder gerade in unseren politischen Diskussionen: Kühlen Kopf bewahren, sachlich argumentieren, lösungsorientiert handeln – und offen sein für neue Erkenntnisse und eine Bereitschaft, seine Meinung auch mal zu ändern, wenn die Fakten das verlangen.

Hast du ein Lebensmotto?
Ein Lebensmotto nicht wirklich, aber ich kann mit einem meiner Lieblingszitate dienen: „Everyone you will ever meet knows something you don’t.“ – Bill Nye
Fanny Quest

Komisch, alles chemisch! von Dr. Mai Thi Nguyen-Kim

Dr. Mai Thi Nguyen-Kim
Komisch, alles chemisch!

Witzig und originell erklärt Mai Thi Nguyen-Kim, welche chemischen Reaktionen in und um uns herum insgeheim ablaufen. Der Tag beginnt mit der Chemie des Aufwachens, mit Melatonin- und Cortisol-Spiegel. Wir erfahren, wann der richtige Zeitpunkt für den ersten Kaffee ist, warum Fluoride in der Zahnpasta enthalten sein sollten und warum das Chaos, das uns im Arbeitszimmer auf dem Schreibtisch erwartet, vom Universum gewollt ist.
Wir verstehen plötzlich, warum nur Aluminiumsalze gegen Schweißflecken helfen, wieso Schweiß überhaupt stinkt und was man dagegen wirklich tun kann. Beim Einkauf im Supermarkt klärt Mai Thi, ob sich mit Sauerstoff angereichertes ‘Sport-Mineralwasser’ wirklich lohnt.
Mit ihrem Buch schafft Mai Thi Nguyen-Kim vor allem eins: Lust auf Chemie! Unbedingt lesenswert.
Droemer HC 16,99€

(Foto: Andreas Bitesnich / Privat)

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