Karen Duve wurde 1961 in Hamburg geboren. Sie wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Ihre Romane ‘Regenroman’ (1999), ‘Dies ist kein Liebeslied’ (2005), ‘Die entführte Prinzessin’ (2005), ‘Taxi’ (2008) und ‘Macht’ (2016) waren Bestseller und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. 2011 erschien ihr Selbstversuch ‘Anständig essen’. Die Verfilmung ihres Romans ‘Taxi’ kam im Sommer 2015 ins Kino. Mit der in der Märkischen Schweiz lebenden Schriftstellerin führte BREMER-Autorin Fanny Quest ein exklusives Interview.

BREMER: Wie sind Sie auf die deutsche Dichterin Annette von Droste-Hülshoff gestoßen?
Duve: Natürlich habe ich als junger Mensch die ‘Judenbuche’ gelesen – allerdings ohne dass die Novelle mir damals besonders viel Eindruck gemacht hätte. Pflichtlektüre eben. An ein Buch über Annette von Droste-Hülshoff habe ich erst gedacht, als ich auf den Umstand gestoßen bin, dass sie in ihrer Jugend einmal eine skandalöse Beziehung zu zwei Männern gleichzeitig gehabt haben soll. Das brachte ich mit meiner Vorstellung von der Dichterin als blutarmem, blassem und bravem Burgfräulein, das stickend am Fenster eines Wasserschlosses sitzt, so gar nicht zusammen und bin neugierig geworden.

Wie würden Sie Annette von Droste-Hülshoff umschreiben?
Eine kleine, zarte und ziemlich wilde Landadlige mit einem starken Willen und einem großen Talent. Die bedeutendste deutsche Dichterin des 19. Jahrhunderts. Ein übermütiges junges Mädchen voller Sehnsucht und Schuldgefühle.

Warum handelt der Kern des Romans gerade vom Sommer 1820?
In diesem Sommer hat die Intrige eines abgewiesenen jungen Mannes und das bösartige Verhalten von Annettes eigener Verwandtschaft die hochbegabte Dichterin vollkommen aus der Bahn geworfen, das Leben mindestens einer weiteren Person gänzlich zerstört und Annette von Droste-Hülshoff erst zu der Dichterin gemacht, als die sie schließlich berühmt geworden ist.

Wie haben Sie für die Geschichte recherchiert?
Da fast alle Briefe, die von der unglückseligen Dreiecksbeziehung handelten, von der Familie wohlweislich vernichtet worden sind, habe ich vor allem die Zeit davor und danach so genau wie möglich rekonstruiert – das meiste über Internetartikel und mehr als 300 Bücher – und dann von den Charakteren der betroffenen Personen darauf geschlossen, was tatsächlich vorgefallen sein könnte. Die Liebesgeschichte ist also spekulativ, bewegt sich aber im Bereich des historisch Möglichen und psychologisch Schlüssigen.

Denken Sie, sie und Frau Droste-Hülshoff wären gute Freunde gewesen?
Ich habe sie im Laufe der beiden Jahre, in denen ich mich fast ausschließlich mit ihr beschäftigt habe, bereits sehr lieb gewonnen. Mehr als lieb gewonnen. Aber vielleicht ist es ganz gut, dass diese Zuneigung nicht auf die Probe einer realen Begegnung gestellt wird.

Ihre Romane unterscheiden sich durch verschiedene Genres, haben Sie schon eine Idee für den nächsten Roman?
Ich hätte schon Lust, noch einen Roman über Annette von Droste-Hülshoff zu schreiben, nämlich über die Liebesgeschichte, die sie dann im fortgeschrittenen Alter mit dem wesentlich jüngeren Levin Schücking gehabt hat. Aber wahrscheinlich kommt mir vorher wieder etwas ganz anderes dazwischen.

Wie empfinden Sie den Beruf der Schriftstellerin?
Als sehr einsam und sehr be­glückend.

Warum haben Sie Ihre Heimat Hamburg verlassen?
Der Liebe wegen. Aber immer, wenn ich einen Zug mit Fahrtziel Hamburg sehe, kriege ich Heimweh.

Haben Sie einen Wunsch?
Ich hätte gern eine lebensgroße Brontosaurierfigur im Garten.

Haben Sie ein Lebensmotto?
Du musst nur lange genug am selben Fluss sitzen, dann schwimmen irgendwann die Leichen deiner Feinde vorbei.

Fräulein Nettes kurzer Sommer
Fräulein Nettes kurzer Sommer

Karen Duve
Fräulein Nettes kurzer Sommer
Roman
Fräulein Nette ist eine Nervensäge! Dreiundzwanzig Jahre alt, heftig, störrisch und vorlaut. Sie ist das schwarze Schaf, das nicht in die Herde ihrer adligen Verwandten passen will. Während ihre Tanten und Cousinen brav am Kamin sitzen und sticken, zieht sie mit einem Berghammer bewaffnet in die Mergelgruben, um nach Mineralien zu stöbern. Die Säume ihrer Kleider sind im Grunde immer verschmutzt! Das Schlimmste aber ist ihre scharfe Zunge. Wenn die Künstlerfreunde ihres Onkels August nach Bökerhof kommen, über Kunst und Politik sprechen, mischt sie sich ungefragt ein. Es gibt aber auch Heinrich Straube, genialischer Mittelpunkt der Göttinger Poetengilde, welcher sich zu der Nichte seines besten Freundes hingezogen fühlt. Seine Annäherungsversuche bleiben durchaus nicht unerwidert. Allerdings ist er nicht der einzige. Was folgt, ist eine Liebeskatastrophe mit familiärem Flächenbrand. Historisch genau, gnadenlos entlarvend und erheiternd witzig!
Galiani-Berlin 25€

(Foto: Kerstin Ahlrichs)

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