Vor 20 Jahren zog Sascha Reimann alias Ferris MC nach Hamburg und schrieb mit der Mongo Clikke deutsche Hip-Hop-Geschichte. Doch Punkrock und Rap haben seine Jugend gleichermaßen geprägt, also wird es höchste Zeit, auch mal die andere Seite auszuleben. Sein im März erschienenes Solo-Album ‚Wahrscheinlich Nie Wieder Vielleicht‘ steht ganz im Zeichen des Rock.

Inwiefern ist es für dich was Besonderes, in Bremen zu spielen?
Vor allen Dingen ist das nach drei Jahren mein erstes Konzert, das ich alleine spiele. Vorher war ich ja hauptsächlich mit Deichkind unterwegs. Dadurch ist es natürlich gerade zu diesem Zeitpunkt etwas ganz Besonderes für mich.

Warum jetzt dieses Album, zu diesem Zeitpunkt?
Nach dem Album ‘Asilant’ war es mein Wunsch, eine Fortsetzung von ‘Glück ohne Scherben’ zu machen. ‘Asilant’ war insofern problematisch, als dass ich von einer unterschiedlichen Ausgangsposition im Vergleich zu früher den Schritt zurück in die Vergangenheit gewagt habe. Ich hab gemerkt, dass es mir nicht gerecht wird, ein Image aufrechtzuerhalten, das ich gar nicht mehr habe. Also fing ich relativ schnell an, am aktuellen Album zu arbeiten.

Was hat diesen Sinneswandel bei dir ausgelöst?
Für mich war es kein richtiger Sinneswandel, Rockmusik hat mich in meinem Leben genauso begleitet wie Rap. Dadurch, dass ich mir gesagt habe, dass ich nicht mehr so viel rappen will, möchte ich jetzt ein Album machen, wo ich die andere Seite auslebe. Ausschlaggebend war auch, mich so geben zu können, wie ich jetzt bin, um nicht mehr dem Image des alten Ferris MC hinterherlaufen zu müssen.

Wie kam die für manche überraschende Zusammenarbeit mit Madsen zustande?
Wir kennen uns seit längerem schon über Festivals und teilen eine Leidenschaft: den Grunge der 90er Jahre. Deswegen wollten wir eigentlich ein reines Grunge Album machen, doch dann ist es mit der Zeit etwas abwechslungsreicher geworden.

Inwiefern hat sich die Umstellung auf deine kreative Vorgehensweise ausgewirkt?
Der Weg war ein anderer. Beim Rap saß ich oft alleine in meiner Kammer und hab an Wortspielen gefeilt. Diesmal war die Zusammenarbeit so, dass wir gemeinsam gefrühstückt und dabei Ideen ausgetauscht haben. Gegen Mittag war der Text fertig, danach haben wir zusammen die Musik eingespielt und abends habe ich dann die Vocals eingesungen. Für mich war diese Herangehensweise ungewohnt, aber sehr angenehm. Der Spaß an der Sache wurde neu geweckt und dadurch fühlt sich das Album für mich sehr frisch an, wie ein Debütalbum für einen neuen Lebensabschnitt.

Inhaltlich deckst du mit deiner neuen Platte ein buntes Themenspektrum ab. Wen willst du mit dem Album denn genau ansprechen?
Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht, das mache ich eigentlich nie beim Musik machen oder beim Texte schreiben. Ich sag einfach das, worauf ich persönlich Bock hab. Dazu gehören sozial angehauchte Themen, aber auch Lieder für meine Frau und Themen wie Wut und Hoffnung. Sachen, die mich im Leben begleitet haben und auch heute noch begleiten.

Hast du damit mit dem alten Ferris eigentlich endgültig abgeschlossen oder steckt der zeitweise verrückte Kerl von früher immer noch in dir?
Natürlich, man wird sich nur mit der Zeit etwas bewusster über die Person, die man ist. Mittlerweile habe ich meine Emotionen im Griff und mache nicht mehr drei Tage durch auf irgendwelchen Substanzen. Man könnte also sagen, ich bin etwas vernünftiger geworden. Außerdem gibt mir das die Möglichkeit, die aufgestaute Energie live auf der Bühne rauszulassen.

Du hattest bereits einige Auftritte als Schauspieler, inwiefern ist es dein Plan, weitere zu fokussieren?
Es ist schon immer in meinem Leben integriert gewesen, dass ich die Schauspielerei nicht nur hobby­mäßig betreiben möchte. Seit fünf Jahren bin ich daher bei einer Agentur und drehe eigentlich fast jedes Jahr irgendwas. In diesem Jahr leider noch nicht, aber ich hoffe, dass da noch das ein oder andere passieren wird. Für mich war es schon immer ein gutes Ventil. Ich habe damals mit dem Theater angefangen, bevor ich überhaupt Musik gemacht habe.

Inwiefern spielte es eine Rolle für dich, einen Kontrast zur aktuellen Deutschrap-Entwicklung zu setzen?
Auch darüber habe ich nicht wirklich nachgedacht. Es ist meine persönliche Entscheidung gewesen, die wenig mit äußeren Einflüssen zu tun hatte. Auch wenn manche sagen, dass Rockmusik heutzutage tot ist, denke ich, dass man sich eine Fangemeinde erspielen kann, wenn man selbst hinter der Musik steht, die man macht. Den Gegenpol zum Deutschrap zu setzen, stand dabei nie im Raum. Es war nie meine Ambition, meine Musik so zu gestalten.

von Ruben Schiefke

(Foto: Authentik Film)

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