Richard David Precht’s Bücher ‘Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?’ oder ‘Die Kunst, kein Egoist zu sein’ sind internationale Bestseller. Seit 2012 moderiert der 52-Jährige die Philosophie­sendung ‘Precht’ im ZDF und lehrt Philosophie an Hochschulen in Lüneburg und Berlin. Für den BREMER führte unsere Redakteurin Fanny Quest mit dem Erfolgsautor ein exklusives Interview.

Herr Precht, was bedeuten für Sie Tiere?
Oh, die Frage kann ich, glaube ich, gar nicht beantworten. Ich finde es interessant, dass Tiere ihre ganz eigene Welt haben, in der sie leben. Gerade die Unterschiedlichkeit zwischen Tier und Mensch finde ich faszinierend. Ich finde es toll, dass es in der Welt noch andere Bewusstseine gibt als das unsere.

Wie ist momentan das Verhältnis von Tier und Mensch für Sie?
Schizophren ist es sehr häufig in der Geschichte gewesen, aber vielleicht noch nie so sehr wie heute. Auf der einen Seite ist die Sensibilität im Umgang mit Tieren in den letzten Jahrzehnten sehr stark gestiegen. Es gibt fast eine Million Veganer in Deutschland und acht Millionen Vegetarier. Auf der anderen Seite aber ist das, was wir in der industriellen Tierhaltung machen, schlimmer als je zuvor, weil wir so billig wie möglich versuchen für den Weltmarkt zu produzieren. Und diese beiden Welten passen nicht zusammen.

Wollen Sie mit dem Buch ein erweitertes Bewusstsein für den Umgang mit Tieren schaffen?
Ja, das würde ich gerne. Aber man muss immer vorsichtig sein über die Wirkungsmöglichkeiten von Büchern, die man schreibt. Ich möchte ein kleines bisschen dazu beitragen, den Umdenkungsprozess, den wir in der Gesellschaft haben, zusätzlich zu befeuern und zu beflügeln.

Was meinen Sie, ist das Beste Modell für den Menschen: Veganer, Vegetarier, Felxitarier oder nichts davon?
Ich denke anders. Ich denke nicht vom besten Modell her. Das finde ich nicht so sinnvoll, weil es kein optimales Modell gibt. Das Ziel sollte sein, Schritt für Schritt eine Verbesserung zu erreichen. Wir sollten sehen, dass wir diesen Bewusstseinswandel, der längst im Gange ist, gerade bei jüngeren Leuten, weiter zu verstärken: nämlich den Fleischkonsum kritisch zu hinterfragen. Wo das am Ende hinführt, da bin ich kein Prophet.

Sie haben sich schon in Ihrem Buch ‘Noahs Erbe‘ mit der Frage nach dem Verhältnis von Tier und Mensch befasst. Inwieweit haben Sie nun, 20 Jahre, später neue Erkenntnisse gewonnen?
Früher fand ich einige Argumente der Tierrechtsphilosophie überzeugender als heute. Ich beschäftige mich fast seit 30 Jahren mit Moral und ich stelle mir immer die Frage, wodurch entsteht eigentlich moralischer Fortschritt? Moralischer Fortschritt hängt nicht so sehr damit zusammen, was Menschen für das Gute halten oder was Philosophen als das Gerechte definieren. Sondern in Wahrheit geht es nur um Sensibilisierung. Deswegen habe ich auch im meinem Buch versucht, die Menschen für dieses Thema stärker zu sensibilisieren.

Wie sehen Sie die Zukunft unseres Fleischkonsums?
Er wird mit Sicherheit auch weiterhin rückläufig sein. Und jetzt kommt als zusätzliche Option hinzu, dass man einer Kuh eine Nackenzelle entnehmen und diese in Zellkultur vermehren kann. Auf diese Art und Weise können wir Burger herstellen, für die nur noch sehr wenige Tiere werden sterben müssen. Also, man braucht noch ein bisschen Kälberserum, aber ansonsten müssen dafür keine Tiere mehr leiden. Dieses Fleisch wird sich aus ethischen Gründen wahrscheinlich auch durchsetzen, möglicherweise so­gar recht schnell.

Das wäre ja erfreulich…
Das Interessante ist, dass viele Menschen aus der Umwelt- und Tierschutzszene dieses Fleisch ablehnen. Obwohl mithilfe des technischen Fortschritts, weniger Tieren sterben müssten, erscheint dieses Fleisch vielen völlig suspekt. Ich habe mal in einer Podiumsdiskussion feststellen müssen, dass einige Umweltschützer plötzlich fassungslos sind, wenn ich sage, dass man das Problem nicht nur ethisch lösen, sondern auch technisch lösen kann. Die Reaktion finde ich ganz überraschend.

Themenwechsel. Neues Jahr, neue Entwicklungen: Was halten Sie davon, dass Donald Trump jetzt die USA regiert?
Ich gehöre zu denjenigen, die Trump für das kleinere Übel halten. Hillary Clinton wäre im Hinblick auf den Weltfrieden deutlich schlimmer gewesen. Sie hat so ein pathologisches Verhältnis zu Russland und behauptet mit Putin nicht reden zu wollen. Sie hätte massiv Großmachtpolitik betrieben. Bei Trump hingegen wissen wir noch nicht, was kommt. Deswegen ist es nicht so sehr Trump, der mich beunruhigt. Ich meine, das war die Wahl zwischen zwei sehr schlechten Kandidaten, von denen der weniger Schlimme gewonnen hat.
Was sind Ihre Vorsätze fürs neue Jahr? Gibt es besondere Pläne?
Ich werde den zweiten Band meiner Philosophiegeschichte abschließen, den ich kurzfristig unterbrochen hatte, um das Tierbuch zu machen. Der zweite Band, der erscheint dann im nächsten Jahr im Herbst und ist noch viel Arbeit.

Richard David Precht
Tiere denken
Angesichts von Massentierhaltung, Tierversuchen und einem Artenaussterben unerkannten Ausmaßes stehen wir drängender denn je vor der Herausforderung, Tiere neu und anders zu denken. Schon in seinem Buch ‘Noahs Erbe‘ von 1997 widmet sich Richard David Precht der Frage, ob wir Tieren Rechte zusprechen sollten. Wo verläuft die Grenze zwischen Mensch und Tier? Und was können wir tun angesichts der hemmungslosen Ausbeutung von Tieren und Umwelt? Precht ermutigt mit seinem aufrüttelnden Buch, neue Wege zu gehen!
Goldmann 22,99€

(Foto: Christian Faustus)

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