Malte Zierden im Interview // ‘Tierbrücke – Jede Seele braucht ein Zuhause’, Kinotour, Bühnentalk & Fragerunde am 27. August um 16.30 & 20 Uhr, FRITZ Theater Bremen

Mit ‘Tierbrücke – Jede Seele braucht ein Zuhause’ kommt nicht nur eine eindrucksvolle Doku-Serie ins Kino, sondern auch eine Stimme auf die Bühne, die für viele Tiere spricht, die sonst niemand hört. im Rahmen der Tour macht das Tierschützer-Team, bestehend aus Malte Zierden, Phia Quantius, Broder Böll und Hubertus Zeck Halt in Bremen – mit Film, Bühnentalk und echter Nähe zum Publikum. BREMER-Autor Mika Dunkel führte ein interview mit Malte Zierden.
BREMER: Du bist in Leer aufgewachsen und somit ein gebürtiger ‘Norddeutscher’ – wann warst du das letzte Mal in Bremen?
Malte Zierden: Ich bin mindestens einmal im Monat in Bremen. Dort verbringe ich dann am Hauptbahnhof 40 Minuten Umsteigezeit. Meistens füttere ich dann die Tauben auf dem Platz der Deutschen Einheit.
Dein „Best of Bahn“ Video ist eines deiner ersten viralen Videos, dort nahmst du lustige Interaktionen im Zug auf. Was war das schrägste was du je dort mitbekommen hast?
In der Bahn erlebt man all das, was man sich nicht wünscht. Der RB41 von Bremen nach Leer (Ostfriesland) über Delmenhorst ist ein Traum. Aber eher einer von den leicht weirden Träumen. Ich habe dort alles gesehen und gehört. Von Sexgeräuschen aus der Bahntoilette bis hin zu endlos lauten JBL-Boxen ist für jeden Geschmack etwas dabei.
Deine Freundin Phia leidet unter teils gnadenlosen Migräneattacken. Warum ist es (dir/euch) so wichtig, dem Thema Migräne, vor allem unter Frauen, eine ernstzunehmende Bühne zu geben?
Um Phia zu zitieren: „weil unsichtbare Krankheiten existieren, ob wir sie sehen oder nicht. Und Menschen unabhängig vom Geschlecht tagtäglich unter ihnen leiden. Das wahre Gesicht der Migräne lässt sich nur durch Aufklärung sichtbar machen.“
Deine Freundin und Du habt auch eure eigene kleine Familie um ein paar Felle erweitert, liegt ihr bald zu 10. im Bett?
Ehrlich gesagt wache ich nun schon jeden Abend neben dem Bett auf, weil meine Hunde mich nachts aus dem Bett stoßen. Ich glaube ich bin in der Rudel-Hierarchie nicht in der Position, zu entscheiden ob wir tierischen Nachwuchs bekommen. Wenn’s nach der Rudelführerin Phia geht, dann haben wir bald 30 Hunde.

Dein populäres Kinderbuch über Oßkar, die Stadttaube, hat viele berührt. Wie wichtig ist Aufklärung über vermeintlich „gewöhnliche“ Tiere für dich?
Es ist für uns als Gesellschaft so wichtig zu lernen, auf die schwachen und hilflosen aufzupassen. Stadttauben leben mitten unter uns und trotzdem ist ihr Leid für vieleMenschen unsichtbar. Sie sind ein Teil von unserem Alltag. Ein Teil von unserem Lebenund sie brauchen unsere Hilfe. Tauben sind zutiefst missverstandene Lebewesen. Sie haben sich das Leben in den Städten nicht ausgesucht. Es ist ein Menschengemachtes Problem. Deshalb wünsche ich mir, dass wir lernen Verantwortung für diehilflosen Lebewesen zu übernehmen.
Seit geraumer Zeit setzt du dich über die Grenzen von Deutschland hinaus in Krisengebieten vehement für Tierrechte ein und bist Mitglied bei der ‘Notpfote’. Ihr habt sogar ein Tierheim in der Ukraine gebaut. Wo und was war dein krassester Einsatz, den du mitgenommen hast?
Die mit Abstand schwierigste Erfahrung war die Evakuierung von Tieren in Kiew. Zu unserer Ankunft sind schwer abzuwehrende Drohnen und Raketen auf einen Flughafen in der Nähe unserer Evakuierungsstation geschossen worden. Das war wirklich heftig und schwer. Es wurde laut und man wusste nicht, wo und wann etwas hochgehen kann. Dort habe ich zum ersten Mal gespürt, wie lebensgefährlich das alles sein kann. Ich persönlich begleite das Team der Notpfote als Unterstützer und sehe mich vor Ort als Helfershelfer. Meine Aufgabe ist es, aufzuklären und aktiv den betroffenen Menschen und Tieren mit meinen Mitteln zu helfen. So etwas liest sich sehr schnell heldenhaft. Aber wir verlassen die umkämpften Gebiete wieder. Andere Menschen sind ununterbrochen vor Ort. Lasst uns diesen Menschen bitte den Respekt für ihre unermüdliche Arbeit erweisen.
Erzähl ein wenig über deine Vision: Du hast ja mal den Traum geäußert, einen Lebenshof um eine Windmühle herum zu bauen – existiert dieser Plan noch?
Eine Windmühle als Schutzort für Tiere klingt zu schön, um wahr zu sein, oder? Warten wir mal ab.

Was war dein emotionaler Tief- und Hochpunkt während eines Einsatzes – und wie hast du dich wieder aufgerichtet?
Der emotionalste Tiefpunkt ist immer der Verlust von Tierseelen. Es ist ein Kampf mit der Zeit, verletzte und schwer kranke Tiere aus Krisengebieten zu holen. Dann ist wirklich jede Minute entscheidend. Mir sind schon Welpen und andere Tiere in meinem Arm gestorben. Ich glaube, dass ich das niemals vergessen kann. Aber dennoch ist da immer noch eine endlos schöne Seite meiner Arbeit. Es sind die Tiere, die aus menschengemachten Kriegen und Katastrophen gerettet werden können. Die vergessenen Seelen dieser Welt, die keiner sieht und niemand hört. Das, obwohl sie jeden Tag, zu jeder Zeit nach uns rufen. Ich würde für sie ans Ende der Welt gehen. Das hätte ich früher nicht gedacht. Aber es erfüllt mich.
Die Doku läuft ab September 2025 in den Kinos (u. a. in Stuttgart war der Auftakt restlos ausverkauft) – wie fühlst du dich dabei, dein Engagement jetzt auch für das Kinopublikum sichtbar zu machen?
Es ist unfassbar, wie schnell diese Kinotour ausverkauft war. Niemand von uns hat mit so einem Andrang gerechnet. Irgendwie kann ich das alles noch nicht so richtig glauben.
Du wurdest im November 2024 als ‘Stimme für die Tiere’ mit dem Deutschen Tierschutzpreis ausgezeichnet – was bedeutet dir diese Anerkennung persönlich?Es ist schwer in Worte zu fassen. Ich wünschte, ich könnte den Deutschen Tierschutzpreis einfach ohne großes Wenn und Aber akzeptieren und mich dafür feiern. Aber ihr müsst verstehen, dass dieser Preis nicht mir allein gebührt. Es sind so viele Menschen, die ihn tragen. So viele Menschen, die mir Tierschutz beibringen und mich auf diesem langen und schweren Weg begleiten. Ich habe mir diesen Preis nicht allein erarbeitet. Ich bin nur ein Teil des Ganzen. Und dennoch ist da dieser endlose Stolz in mir. Weil dieser Preis für die Arbeit mit Tieren ist. Das, was ich den Rest meines Lebens machen möchte.

Wenn du einen Tag lang Bremens Bürgermeister wärst: welche tierschutzrelevante Maßnahme würdest du sofort umsetzen?
Als Bremer Bürgermeister würde ich zunächst einmal eine Taube auf den Bremer Stadtmusikanten platzieren. Danach würde ich die finanziellen Töpfe für das Bremer Tierheim erweitern. Die werden nämlich von der Stadt chronisch unterfinanziert und stecken in einer Dauerkrise. Sie sind vertraglich dazu verpflichtet, Fundtiere aufzunehmen, werden finanziell aber nicht ausreichend unterstützt. Nachdem ich mich dadurch dann nach zwei Stunden Amtszeit bei einigen Poltiker:innen unbeliebt gemacht habe, werde ich direkt ein umfassendes Tierschutzkonzept vorlegen. Wildtier-Auffangstationen und Taubenhäuser zur Populationsteuerung werden sofort gefördert. Danach überarbeiten wir noch die pauschal diskriminierende Rassenliste der Hunde in Bremen. Kurz vor Feierabend führe ich dann noch ein Zuchtverbot von Tieren ein und erlasse die Hundesteuer für jeden Menschen, der einen Hund aus dem Tierheim adoptiert.
Auf Social Media erreichst du über 1,3 Millionen Menschen – wie nutzt du diese Reichweite strategisch, um wirklich etwas zu bewegen?
Für mich ist Empathie für Tiere der Schlüssel zu einer mitfühlenderen Welt. Denn wer beginnt, Tiere wirklich zu sehen, beginnt auch, Verantwortung zu übernehmen. Für Schwächere und Schutzlose. Wir können so viel von Tieren lernen. Über Vertrauen, über Angst und über uns selbst. Umso mehr Menschen das verstehen, desto mehr können wir als Gemeinschaft wirklich bewegen. Wir sind viele, wir sind stark und wir gucken nicht weg, wenn Tiere unter Menschen leiden.

Worauf können sich die Besucherinnen und Besucher im FRITZ gefasst machen?Ich möchte nicht zu viel verraten. Aber ich glaube das wird eine Achterbahn der Gefühle. Denn auch wenn es sich für manche Menschen falsch anfühlt, begegnen wir dem Leid auch mal mit einem Lachen.
Interview: Mika Dunkel
koopmann-concerts.de