Demian // Stadttheater Bremerhaven

Mit Demian bringt das Stadttheater Bremerhaven Hermann Hesses Jahrhundertroman über Selbstsuche, Abgrenzung und geistige Reifung auf eine besondere Bühne – konzentriert, kraftvoll und mit einem Darsteller, der allein den inneren Aufbruch einer ganzen Generation verkörpert.

Emil Sinclair wächst in einer Welt scheinbarer Ordnung auf – einer bürgerlichen Kindheit, geprägt von Moral, Sicherheit und klaren Grenzen. Doch diese Welt beginnt zu bröckeln. Mit der rätselhaften Figur Max Demian tritt ein anderes Denken in sein Leben, eine neue Wirklichkeit: dunkler, offener, widersprüchlicher. Zwischen religiösen Fragen, sexueller Sehnsucht, Krieg und geistiger Revolte entfaltet sich ein innerer Umbruch, der bis heute nachhallt. Es ist ein Ringen um Autonomie, das weniger äußere Handlung verlangt als innere Klarheit – und genau das rückt die Inszenierung in den Fokus.

‚Demian‘ wird im ‚Beet‘ aufgeführt Foto: Björn Gerken

Die Inszenierung von Kornelius Eich konzentriert sich auf diesen Prozess. Ohne Nebenfiguren, ohne Ablenkung – im Zentrum steht Emil Sinclair, gespielt von Leon Häder. Er trägt das Solo mit Ruhe und Intensität, seine Stimme führt durch Erinnerungen, Gedankenströme und Wendepunkte. Hesses Sprache bleibt dabei klar und gegenwärtig, nie pathetisch. Die Inszenierung verzichtet auf äußeren Pomp und vertraut ganz auf Atmosphäre, Körper und Text.

Gespielt wird nicht im klassischen Bühnenraum, sondern immer eine Stunde vor Sonnenuntergang unter freiem Himmel: im ‘Beet’ auf dem Zollinlandplatz. Das ‘Beet’, eine temporäre Freilichtbühne auf einem ehemaligen Industrieareal, verstärkt zusätzlich die freie Erzählwirkung. Statt geschlossener Räume: Himmel über dem Kopf, Wind, Stadtgeräusche, fallendes Licht. Die Dämmerung wird zur dramaturgischen Begleiterin des Geschehens, der offene Raum zum Spiegel innerer Bewegung. Wechselnde Perspektiven und das Spiel mit Nähe und Distanz machen den Abend unmittelbar – Sinclair durchschreitet nicht nur Stationen seines Denkens, sondern auch realen Raum.

‚Demian‘ Foto: Blörn Gerken

Statt eines linearen Handlungsbogens entsteht ein innerer Spannungsraum, der zur Folie für die Suche nach Identität wird. Der Wunsch nach Individualität schlägt in Konfrontation um – mit der Gesellschaft, der Religion, dem Selbst. Unterstützt von Musik, Licht und feinem Raumgefühl entsteht eine dichte, fragile Stimmung, die nie belehrend wirkt, sondern nachwirkt. Demian bleibt ein Text über das Erwachsenwerden – aber nicht im biografischen Sinn, sondern existenziell. Die Inszenierung macht spürbar, wie radikal diese Suche sein kann. Und wie notwendig.

Mika Dunkel

Am 25. August um 19.31 Uhr, am 23. September um 18.21 Uhr & am 24. September um 18.19 Uhr
Infos und Tickets: stadttheaterbremerhaven.de

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