Vom Krankenhaus in die Lanxess Arena!
Tony Bauer – „Fallschirmspringer“ (Interview)
Aus Duisburg-Marxloh auf die größten Bühnen des Landes: Der, mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnete, Comedian erzählt in seinem Programm ‘Fallschirmspringer’ von Alltag, Krankheit und absurden Erlebnissen – mit entwaffnender Ehrlichkeit und einem Humor, der lange nachhallt. Einer der vielversprechendsten Nachwuchs-Comedians springt bald mit seinem Fallschirm ab – und landet in Bremen! BREMER-Autor Mika Dunkel führte ein Interview mit ihm.
In der deutschen Comedy-Szene taucht nicht oft jemand auf, der binnen kürzester Zeit frischen Wind bringt und dabei so authentisch bleibt wie Tony Bauer. Jung, sympathisch und mit einem Humor, der zwischen scharfzüngig und warmherzig pendelt, hat sich der Duisburger Shootingstar seit einigen Jahren einen Namen gemacht. Seine Geschichte ist alles andere als gewöhnlich: Tony lebt mit dem Kurzdarmsyndrom, einer seltenen Erkrankung, die ihn auf eine kontinuierliche Nährstoffzufuhr per Schlauch angewiesen macht. Was wie eine Einschränkung klingt, hat er in eine Quelle unerschöpflicher Comedy verwandelt. Mit entwaffnender Offenheit erzählt er in seinem Soloprogramm von den absurden Momenten des Alltags, den Herausforderungen seiner Krankheit und den kleinen und großen Hürden, die das Leben so bereithält. Mal pointiert, mal nachdenklich, immer aber mit der Energie eines Künstlers, der sein Publikum nicht nur zum Lachen bringen, sondern auch berühren will.
BREMER: Wie bist du zur Comedy gekommen?
Tony Bauer: Mein alter Schulleiter meinte schon früher immer zu mir: „Mach doch irgendwas mit Kabarett“. Ich dachte nur: „Was für Kabarett? Ich bin doch gar nicht sozialkritisch?“ Er meinte damit natürlich Comedy. An der Stelle ein Shoutout an meinen alten Schulleiter, er hat den Weg geebnet. Ich habe dann angefangen erst Ernährungsmedizin zu studieren, später dann Psychologie. Ich war aber ein schrecklicher Student. Immer da, nie aufgepasst, nur Scheiße gebaut. Im Rahmen des Studiums musste ich ein Praktikum machen in Frankfurt. Das war richtig Schrott! Keine Kohle – 16 Quadratmeter Wohnung und die Arbeit hat mir keinen Spaß gemacht. Ich weiß noch wie mir mein Kumpel Hassan fünf Euro geschickt hat, damit ich mir eine Giftcard für Netflix kaufen kann. Ich dachte mir nur: „Lieber Gott gib mir irgendein Zeichen!“ Dann löse ich diese Karte ein und der erste Vorschlag war original das erste Programm von Kevin Hart. Ich dachte mir so, eigentlich will ich das machen. Aber ich kann ja nicht einfach jetzt Comedy machen und meiner Familie sagen, ich mach Comedy. Die lachen mich doch aus. So als würdest du sagen, ich werd jetzt Zauberer. Und dann dachte ich mir so, ja, komm, scheiß drauf. Ich mach jetzt Comedy.
Und dann habe ich während Corona angefangen Comedy zu machen. Da gibt’s eigentlich keine offenen Bühnen und so, deswegen habe ich Wohnzimmershows gespielt. Mein erster richtiger Auftritt war original bei euch in Bremen bei „Craft Comedy“. Und es war richtig gut. So hat meine Karriere angefangen.

Wie schreibst du ein Programm?
Ich schreibe mir immer auf meinem Handy auf, was mir passiert. Am Ende der Woche setze ich mich hin und gucke mir alle Highlights an. Und gucke, ob sofort was passiert, wenn ich die lese. Ob sofort meine Kreativität anspringt oder nicht. Und wenn die nicht anspringt, dann lasse ich das liegen. Und so ergeben sich dann im Laufe der Zeit ganz viele neue Nummern. Manchmal hast du Dinge, bei denen du sofort checkst, welche Witze da reingehören oder wie du die Geschichte erzählen kannst, damit sie witzig ist. Aber du musst natürlich Metaphern und sprachliche Bilder und Wörter bauen, damit alle denken, dass sie dabei gewesen sind. Und ab und zu ist es einfacher, so ein Narrativ zu schaffen und ab und zu ein bisschen schwerer. Bei den Sachen, die schwer sind, versuche ich das nicht zu erzwingen. Dann ist es halt so. Dann lege ich das weg.
Am liebsten schreibe ich das in so einem Hotel in der Nähe vom Comedy-Club, dass ich das schreiben kann, spielen kann, reduzieren kann. Schreiben kann, spielen kann, reduzieren kann. Schreiben, spielen, reduzieren. In der Comedy ist es so, umso kleiner die Prämisse und umso klarer die Prämisse, desto besser ist der Joke. Also das ist dann immer das Ziel, die Prämissen so klein zu bauen, wie es geht, um danach so viele Jokes einzuhauen wie möglich.
Woran erkennt man für dich gute Comedy?
Viele achten darauf, wie gut ein Joke geschrieben ist. Das interessiert mich gar nicht. Das juckt mich alles gar nicht. Für mich ist immer, wenn der Mensch, der auf der Bühne steht, er selber ist. Weißt du? Ab dann finde ich, ist Comedy richtig gut. Wenn du deine private Persönlichkeit auf die Bühne bringen kannst, dann ist auch meistens egal, was du sagst, weil die Leute dann Fans von dir sind und du denen das Gefühl gibst, dass du gerade auf einer großen Küchen- oder Gartenparty bist.
Ich finde es cool, wenn man aus seinem Leben erzählt, das, was man irgendwie erlebt hat den Leuten das durch seine eigene Brille, durch seine eigene Hemisphäre weitergibt, ohne zu versuchen, dass da hammerharte Punchlines drin sind. Ab dann finde ich Comedy gut, wenn man keinen Charakter spielen muss. Und es ist auch egal, wie groß. Ob das 500 sind oder 15.000 Leute sind. Es soll für alle genauso wirken. Das macht mir am meisten Laune.
Gibt es Themen über die du niemals Comedy machen würdest?
Erstmal glaube ich, dass ich jedes Thema bedienen kann. Was ich nicht möchte, ist jemanden verletzen. Wenn ich das mache, dann auf jeden Fall so, dass der Witz immer auf mir liegt und nicht auf andere. Ich komme schon damit klar, wenn man über mich lacht oder mit mir lacht. Ich bin cool genug dafür, dass ich das ertrage. Ich glaube, umso heikler das Thema, umso größer muss der Punch sein und umso schlauer die Prämisse. Es gibt eine Regel, die ich irgendwann für mich getroffen habe. Wenn die Prämisse richtig intelligent ist, dann muss der Punch klug sein. wenn die Prämisse richtig dumm ist, dann muss der Punch richtig klug sein. So, glaube ich, holt man alle Lager ab.
Ich glaube, es ist eh schwer, alle zu kriegen. Ich glaube, wenn man das so baut, dass man denkt, man muss alle kriegen, dann wird es eh nichts. Du machst, was du cool findest und im besten Fall finden die Menschen dich cool und folgen dem, was du cool findest.
Wenn nicht Comedian, was dann?
Ich kann gar nichts. (lacht.) Wenn ich nicht Comedian wäre, dann wäre es ganz schwer gewesen, irgendwas anderes zu finden, was ich kann. Ich glaube, ich wäre überall einfach gefeuert worden, weil ich zu spät gekommen wäre. Ich glaube, jeder Bürojob dieses Lebens, hätte mich einfach zerstört, weil ich nicht stillsitzen kann und immer was machen muss. Ich glaube, der liebe Gott hat mir ganz viel gegeben, indem er gesagt hat, du darfst hier die Leute unterhalten und eine Show machen.

Abseits der Comedy: was für Träume hat Tony Bauer?
Abseits von Comedy würde ich irgendwann gern ein Krankenhaus eröffnen für Kinder, die so sind wie ich. Weil ich weiß, wie es ist, wenn man keine Hoffnung hat und wenn die Eltern keine Hoffnung haben. Ich würde das gern irgendwann einfach selbst finanzieren, ohne irgendwelche Spenden, sondern einfach ich finanziere das. Und wenn wir keine Heilung geben können, dann können wir wenigstens Hoffnung geben. Das ist das, was ich gern machen würde. Und für mich selber, wenn Comedy included ist, dann würde ich gern auf der ganzen Welt Comedy machen und im Madison Square Garden eines Tages spielen. Ich war auf der ganzen Welt im Krankenhaus und dann glaube ich, habe ich verdient, die ganze Welt unterhalten zu dürfen. Und wenn Arnold Schwarzenegger nur durch Bizeps trainieren Senator werden kann, dann kann ich auch die ganze Welt unterhalten.
In welche Ecken der Welt hat dich deine Krankheit geführt?
Ich war in Paris im Krankenhaus wegen einer Transplantation, die nicht geklappt hat. Ich war in London im Krankenhaus, weil da ein Spezialist war, der sich damit auskannte. Ich war natürlich in Deutschland, wahrscheinlich in fast jeder Stadt im Krankenhaus.
Wann wurdest du krank?
Ich bin 2004 krank geworden, ich war acht Jahre alt. Ich habe die EM im Krankenhaus geguckt, als Angelos Charisteas Griechenland zur EM geköpft hat.
Was war dein bislang schönster Moment mit deinen Fans?
Auf einer meiner ersten Shows habe ich über meine Krankheit geredet, und Jokes gemacht. Eine Frau im Publikum schrie dann, sie hätte auch einen Rucksack- dann hielt sie ihn noch. Sie hatte die gleiche Krankheit wie ich. Mann, da habe ich geweint. Ich habe dort gemerkt, dass ich etwas verändern konnte.
Wenn ich auf Show bin, kommen manchmal Eltern mit ihren Kindern zu mir, kommen Jugendliche zu mir, die nehme ich in den Arm und dann müssen die weinen. Das finde ich schon krass. Aber irgendwie gebe ich denen so viel Kraft, Hoffnung und Inspiration. Das ist richtig crazy, denn ich bin gar nicht so wichtig. Ich bin nur Tony.
In solchen Momenten denke ich mir, dass es vielleicht gar nicht um Jokes geht. Vielleicht geht es ja um etwas größeres. Vielleicht geht es ja einfach darum, dass ich anderen zeigen kann, dass egal welche Karten dir Gott gibt, irgendwann hast du zwei Asse und dann kann man ‚All in‘ gehen. Ein weiterer Moment der bleibt war, als ich an meinem Geburtstag in der Lanxess Arena vor 15.000 Leuten gespielt habe, und dann alle Happy Birthday gesungen haben. Das war natürlich auch unglaublich.
Würdest du sagen du gehst gerade „All in“?
Ja voll. Jede Kapazität, jede Kraft, die ich habe, stecke ich da rein. Es gibt keinen Wanken.
Ich gucke rechts, ich gucke links. Never cheat the game. Ich versuche alles zu verbessern, alles zu vergrößern, dass wenn man das nächste Mal kommt, dass man mehr geboten bekommt als beim letzten Mal. Sodass die Zuschauer immer wieder kommen können und immer wieder was Neues entdecken und immer wieder Lust darauf haben, was Neues zu entdecken. Ich glaube, ich lege alles, was ich habe, da rein. Alles, was ich tue, tue ich für einen Traum, den außer mir niemand sieht.
Ich glaube, das ist ‚All in‘ gehen einfach. Auch mental, wenn du dein Bestes gibst jeden Tag. Jeden Tag bist du am Versuchen und probieren.
Die Sachen siehst du ja noch nicht. Du siehst ja den Outcome noch gar nicht. Aber trotzdem in derselben Position zu sein und immer wieder neu zu versuchen, das ist der wirkliche Hustle.
Du warst erfolgreicher Teilnehmer bei „Let’s Dance“, wie war das für dich?
Wahrscheinlich immer noch das Beste, was ich je gemacht habe. Es hat so viel Spaß gemacht.
Es war eine ganz besondere Show. Wenn man sich darauf einlassen kann und sich nicht zu wichtig nimmt, dann macht es unheimlich viel Spaß. Du musst dir im Klaren sein, dass es eine Show ist, dass man mit Show macht. Ich habe da so tolle Menschen kennengelernt, die immer noch meine besten Freunde sind. Mit denen ich mich austausche, die ich immer anrufen kann, die mir immer zuhören, denen ich immer zuhöre. Dann war es zum ersten Mal so, dass ich für mich selbst verstanden habe, dass wenn ich hart arbeite, ich mir alles holen kann, was ich brauche, was ich mir vorstelle, was ich mir wünsche. Ich habe einfach nur mein Bestes gegeben und die Leute fanden es cool.
Keiner hat darüber geredet, dass ich krank bin. Alle haben darüber geredet, dass ich einfach so wie ich bin, richtig gut bin. Irgendwann war es nicht mehr Let’s Dance, sondern irgendwie hatte ich das Gefühl, es war Tony und seine Freunde. Es war ganz speziell, es war super cool, es hat mega Spaß gemacht! Von 15 Wochen war ich 12 Wochen dabei.

Du sitzt in der neuen Staffel von ‚Das Supertalent‘ neben Dieter Bohlen und Bruce Darnell in der Jury, was ist das für eine Erfahrung?
Das ist einfach verrückt: ich sitze einfach neben Bruce Darnell und er gibt mir seine Handynummer. Die kommen zu meiner Show und sitzen dann da und gucken sich an, was ich mache. Irgendwie finden die mich cool und ich finde sie auch cool. Ich verstehe mein Leben zwischendurch selber nicht. Ich bin ja nicht einmal bei null gestartet, ich bin bei Minus 100 gestartet. Da wo ich herkomme, da sterben Menschen. Und zusätzlich habe ich noch in Duisburg-Marxloh gewohnt und nicht in München. Meine Mama ist eine alleinerziehende Mama. Wir hatten nicht viel Kohle. Ich bin viel bei meiner Oma und meinem Opa aufgewachsen. Also es war nicht so, dass der liebe Gott gesagt hat, hier starte mal wie alle anderen. Sondern ich bin original von gar nichts gekommen. Dann hat er mich noch krank gemacht. Dann hat er mich noch mal kurz schlafen geschickt und hat ‚Time Out‘ gemacht für mich. Und trotzdem habe ich mir das alles geholt, habe das alles wahrgemacht, was in meinem Kopf ist. Das ist crazy. Wenn man so zurückguckt, wie der Startpunkt war und wie das jetzt ist, ist das immer noch unfassbar.
Was machst du an einem Tag an dem so garnichts nach Plan läuft?
Es geht schnell bei Comedy so, dass du denkst, okay, wieso mache ich eigentlich alles? Weißt du? Das funktioniert jetzt schon nicht, wie soll das denn so funktionieren, wie ich mir das denn vorstelle? Du bist sehr viel allein mit deinen Gedanken. Dann heißt es eben manchmal: aufstehen und wieder von vorne machen und sich dann denken, ja: scheiß drauf. Dann klappt es halt heute nicht, aber morgen. Und wenn es morgen nicht klappt, dann nächste Woche. Irgendwann wird es klappen!
Wie würdest du einem Menschen, der noch nie in Duisburg-Marxloh war, deine Heimat erklären?
Die Leute sind sehr für sich, aber wenn man die geknackt hat, sind die ein Leben lang für einen da. Die Stadt ist hässlich, aber woanders ist auch scheiße.
Interview & Text: Mika Dunkel
Am 3. September um 20 Uhr, Kulturzentrum Schlachthof & am 15. Oktober um 20 Uhr, Stadthalle Verden. Weitere Infos: schlachthof-bremen.de & stadthalle-verden.de, Tickets (32,90 Euro) unter: tony-bauer.ticket.io.
Der BREMER verlost außerdem 2×2 Tickets für Tony Bauers Show in Verden. Schreibt dazu einfach bis zum 6. Oktober eine Mail mit dem Stichwort ‘Fallschirmspringer’ an gewinne@bremer.de.