H-Blockx
Mit ‚Time To Move‘ und Hits wie ‚Risin’ High‘, ‚Move‘ und ‚Little Girl‘ gelang den Münsteranern 1994 ein Klassiker des damals noch jungen Crossover-Genres, der auch international mithalten konnte. Auch wenn es in Folge vor allem mit Coverversionen wie ‚Ring Of Fire‘ oder ‚The Power‘ Erfolge gab, fand sich die Band irgendwann in einer Identitätskrise. Die ist nun vorbei. Mit neuem Selbstbewusstsein kehren ‚H-Blockx‘ zurück. Sänger Henning Wehland hat dem BREMER erzählt, wie er und seine Mitmusiker den Weg zu einer neuen Leichtigkeit und zu sich selbst gefunden haben.
BREMER: Euer neues Album, das im Februar 2026 erscheinen soll, und die kommende Tour heißen ‚FILLIN_THE_BLANK‘. Welche Lücken wollt Ihr damit schließen – musikalisch, in eurer Bandgeschichte, oder auch ganz persönlich?
Henning Wehland: Für uns war es wichtig, dass wir etwas finden, das uns allen gleichzeitig aus der Seele spricht. Die Band soll nicht mehr eine Summe der Einzelteile sein, sondern etwas, das uns gemeinsam repräsentiert – egal, ob auf der Bühne, in der Musik oder in Interviews. In den letzten 30 Jahren haben wir viel ausprobiert und oft nicht wirklich gewusst, wo es langgeht. Der Moment auf der Bühne hat immer funktioniert, weil wir uns da hinter der Energie vereinen konnten. Aber sonst hatte jeder oft das Gefühl, es besser zu wissen als die anderen – und das war fatal. Jetzt haben wir eine Essenz gefunden, die ich mit Spaß und Energie beschreiben würde. Es ging weniger darum, Lücken zu schließen, sondern unnötige Dinge wegzulassen. Auch optisch haben wir ein klares Statement gesetzt: gleiche Schuhe, Socken mit Streifen, schwarzes Skateshirt, Kappe – Symbole dafür, dass wir uns als Band zusammenfinden. Persönlich hat sich bei mir ebenfalls viel verändert. Ich habe eine dunkle Phase mit Depressionen und schlechtem Lebenswandel durchgemacht. Als ich im Proberaum offen darüber gesprochen habe, war das für alle eine Erleichterung. Es hat eine familiäre Offenheit geschaffen, die uns sehr zusammengeschweißt hat. In der Depression hatte ich nicht das Gefühl, dass ich depressiv bin oder etwas mitteilen müsste – ich wusste gar nicht, was los ist. Oft waren es Missverständnisse in familiären Beziehungen. Erst als ich anfing, meine persönlichen Wahrheiten auszusprechen, wurde vieles leichter. Rückblickend war es schwer, den Weg zu finden – aber einfach, ihn zu gehen, als er einmal da war. Heute weiß ich: Zufriedenheit, Glück, Erfolg – das definiere ich selbst.
Euer Labelchef Ingo von den ‚Donots‘ hat ‚FILLIN_THE_BLANK‘ Euer ‚zweites‘ Album genannt – nach dem Klassiker ‚Time To Move‘. Siehst du das auch so?
Ingo hat uns mit diesem Satz einen Gefallen getan. Er würde das nie sagen, wenn er es nicht so meint. Für uns war es ein Impuls, weil wir plötzlich gemerkt haben: Das fühlt sich so einfach an, weil wir das machen, was wir am besten können. Unser Debüt haben wir an den Anfang gestellt, ohne zu wissen, was wir da tun. Dieses Album war sehr bedeutend und hat in der Szene einiges bewegt – im Positiven wie im Negativen. Wir haben 30 Jahre gebraucht, um alle anderen Wege auszuprobieren, und jetzt verstanden, dass das unsere DNA ist. Heute gehen wir zurück zu unserem alten Handwerkszeug, aber klarer definiert. Es fühlt sich so an, als wären wir jetzt wieder dort angekommen, wo wir hingehören.
Mit Eurer Single ‚Straight Outta Nowhere‘, die Ende August erschien, habt ihr eine extrem eingängige Crossover-Hymne am Start. Wie ist der Titel gemeint?
Er steht dafür, dass es egal ist, wo man herkommt – wir kommen ja auch nur aus der Provinz. Natürlich ist es auch eine kleine Anlehnung an ‚Straight Outta Compton‘ von ‚N.W.A.‘. Mir geht es darum, dass die Energie wichtiger ist als die Herkunft oder die Geschichte drumherum.
Was kannst Du mir zum nächsten Single-Knaller ‚Lights Out‘ erzählen?
Da geht es um meine frühere Alkoholproblematik. „20,000 empty bottles cover my ground“ – das beschreibt eine Zeit, in der ich Geheimnisse brauchte und mich unbedeutend fühlte. Ich war oft nur glücklich, wenn ich das Gefühl hatte, nicht gesehen zu werden. Auf der anderen Seite liebe ich es, auf der Bühne zu stehen und Applaus zu bekommen. Dieser Widerspruch steckt in „Im only happy with the lights out“.
Gleichzeitig geht es um den Moment, wenn Geheimnisse auffliegen und dadurch Luft ins Dunkel kommt. Der Song erzählt von etwas Abgeschlossenem. Und deshalb klingt er trotz des Themas fröhlich – ich kann heute mit Abstand darüber sprechen, ohne Scham.
Du hast dir auch früh ein Standbein als Manager aufgebaut. Was hat sich im Musikbusiness am stärksten verändert – und was ist gleich geblieben?
Gleich geblieben ist: Es gibt Menschen, die Ideen haben, und andere, die daraus ein Geschäft machen. Beides hat seine Berechtigung. Künstler wollen ihre Ideen in die Welt bringen – das ist wichtiger, als ob sie damit Geld verdienen.
Verändert hat sich das Outlet: Wie wir Musik hören, ist viel schneller geworden. Oft entscheiden wir in 30 Sekunden, ob ein Song gut ist, statt uns die Zeit zu nehmen, wirklich einzutauchen. Heute kommunizieren wir über Schlagzeilen, nicht über den Kontext. Und natürlich die Vermarktung: Früher brauchte man eine Plattenfirma, ein Video, MTV oder VIVA. Heute geht vieles über Social Media. 90 Prozent der Szene besteht aus guten Creatorn und Influencern, nicht unbedingt aus Musikern. Wer beides kann, hat Glück – aber das Game ist ein anderes geworden.
Ihr spielt am 1. November im Pier 2 in Bremen. Habt Ihr eine besondere Verbindung zur Stadt?
Ja, meine Familie väterlicherseits hat jahrzehntelang in Lilienthal gelebt. Das erste Mal, dass ich alleine Zug gefahren bin, war nach Bremen – da habe ich mir in der Böttcherstraße mein erstes Jojo gekauft. Auch meine Mutter war viel in der Region. Außerdem ist mein ehemaliger Fußballtrainer Klaus Filbry Geschäftsführer bei Werder Bremen. Deshalb schaue ich immer auf die Ergebnisse von Werder. Und ich habe legendäre Konzerte in Bremen erlebt. Viele unterschätzen die Stadt, weil sie nicht Hamburg ist. Aber Bremen hat eine starke Musikszene und ist sehr eigenständig. Für das Konzert ist klar: Stell uns eine Lampe auf die Bühne – der Rest ist Energie. Es wird eine echte Rockshow, zwei Stunden mit voller Power.
Christoph Becker
Am 1. November um 20 Uhr, Pier 2