Dota Kehr im Interview

In den Nullerjahren begann die Berliner Singer-Songwriterin Dota Kehr gemeinsam mit Schlagzeuger Janis Görlich und Gitarrist Jan Rohrbach ihre musikalische Zusammenarbeit – zunächst als ‘Dota und die Stadtpiraten’, später unter dem verkürzten Namen ‘DOTA’. Heute gehören außerdem Keyboarder Patrick Reising und Bassist Alex Binder fest zur Band.

Bis heute veröffentlichte die Band 10 Studioalben und 6 Livealben – von frühen Produktionen wie ‘Immer nur Rosinen’ (noch als ‘Dota und die Stadtpiraten’) bis zum gefeierten ‘Kaléko’. Mit ‘Wir rufen dich, Galaktika’ gelang 2021 erstmals der Sprung in die Top Ten der deutschen Albumcharts. 2023 erschien ‘In der fernsten der Fernen’ mit weiteren Mascha-Kaléko-Vertonungen und Gästen wie Clueso, Dirk von Lowtzow und ‘Black Sea Dahu’. Die Band tourte ausgiebig im In- und Ausland, arbeitete mit brasilianischen Musikern wie Chico Cesár und Danilo Guilherme zusammen und wurde mit Preisen wie dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik und dem Fred-Jay-Preis ausgezeichnet.

Foto von Dota Kehr
Dota Kehr Foto: Annika Weinthal

Politisch und poetisch zugleich, sucht Dota Kehr nicht nach einfachen Antworten, sondern verwandelt Ratlosigkeit in Lieder, die Hoffnung, Utopie und Selbstironie miteinander verbinden. Im Juni 2025 erschien nun das neue Album ‘Springbrunnen’, mit dem ‘DOTA’ auf große Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz gehen – und dabei auch in Bremen Station machen. Der BREMER hat sich mit Dota Kehr unterhalten.

BREMER: Was steckt hinter dem Titel des neuen Albums und der Tour dazu und der Stimmung, die du damit einfangen wolltest?
Dota Kehr: Es gibt ein Lied, in dem Springbrunnen im Titel vorkommt. Wir fanden den Namen passend, weil ein Springbrunnen etwas Lebhaftes, Erquickendes ist – vielleicht nicht zwingend notwendig, aber ein Ort, an dem sich alle treffen können. Das sagt schon viel über ein Album oder ein Konzert.

Deine Texte leben von poetischen Bildern und feinen Beobachtungen, oft mit gesellschaftlichem Blick. Hat sich deine Herangehensweise ans Songwriting verändert – gerade für dieses Album?
Auf jeden Fall. Ich habe kein Schema beim Liederschreiben, fange immer wieder von vorn an. Neu war diesmal, dass zwei Stücke musikalisch von Bandkollegen stammen – ‘Alles glänzt / Die Hoffnung’ von unserem Schlagzeuger und ‘Das wogende Meer’ vom Bassisten. Ich habe nur Text und Gesang beigesteuert. Es war ungewohnt, auf eine fertige Melodie zu texten, aber auch besonders kostbar, weil es ein neuer, herausfordernder Weg war. Außerdem hat mich Mascha Kalékos prägnante, verdichtete Lyrik stark beeinflusst. Das Eröffnungsstück ‘Der Frühling’ hat nur acht Zeilen Text – die Musik bekommt mehr Raum als früher.

Das Album wirkt musikalisch feingliedriger, stellenweise fast sphärisch – mich hat es an Radiohead erinnert.
Das freut mich sehr, ich bin großer Radiohead-Fan. Natürlich geht es trotzdem darum, etwas Eigenes zu schaffen und Neuland zu betreten. Genau so hat es sich diesmal angefühlt.

Deine Songs wechseln zwischen Nachdenklichkeit und Leichtigkeit. Wie findest du diese Balance und wie wichtig ist dir Hoffnung?
Hoffnung war für mich ein zentrales Thema während der Arbeit am Album. Gerade in Zeiten, in denen wir so weit von Frieden entfernt sind und der Kampf gegen den Klimawandel oft aussichtslos wirkt, liegt es nahe, die Hoffnung zu verlieren. Das hat mich sehr beschäftigt. Eine Lösung habe ich nicht gefunden, aber mir ist klar geworden: Hoffnung kann man nicht allein aufrechterhalten. Sie entsteht nur im Austausch mit anderen, in der Gemeinschaft, wenn man füreinander da ist.
Gleichzeitig spüre ich das Schwere viel stärker und ich finde es auch wichtig, sich damit auseinanderzusetzen und informiert zu bleiben. Der Impuls, Nachrichten auszublenden und nur noch eine heile Welt sehen zu wollen, ist zwar verständlich – aber das sollte man nicht tun. Ich sehe es als Verantwortung, nicht wegzuschauen. Trotzdem will ich, dass die Musik nicht von dieser Schwere dominiert wird. Mir ist es wichtig, einen Blickwinkel zu finden, der Leichtigkeit zulässt und damit vielleicht auch ein Stück Hoffnung vermittelt.

Deine Lieder haben oft einen feinen Humor. Entsteht das bewusst?
Humor gehört einfach zu mir. Ich verwerfe viele schwere Ideen und lasse die stehen, die etwas Erträgliches haben. So kann Musik auch Trost spenden – und Kultur einen Blickwinkel eröffnen, der bei allem Ernst auch das Komische zeigt.

Was dürfen die Zuschauer:innen auf dem Konzert im Modernes erwarten?
Der Fokus liegt klar auf dem neuen Album. Ältere Lieder gibt es meist erst im letzten Konzertdrittel oder in den Zugaben. Wir wollen keine Nostalgie-Touren machen, sondern das Aktuelle in den Vordergrund stellen. Es wird tanzbar – und es gibt auch Überraschungen, etwa Stücke vom Bonus-Soloalbum.

Du hast lange in Lateinamerika gelebt. Welche Rolle spielen Fremdsprachen und Auslandsaufenthalte in deiner Musik?
Wenn Leute die Texte nicht verstehen, bleibt der reine Sprachklang – das ist ein spannender Blick auf Musik. Außerdem hat mich mein brasilianischer Freund Danilo Guilherme stark geprägt, vor allem durch seine Gitarrenarbeit.

Hast du eine besondere Verbindung zu Bremen?
Ja, unsere ersten Auswärtskonzerte waren hier. Radio Bremen Zwei war der erste Sender außerhalb Berlins, der uns gespielt hat. Ein frühes Konzert war bei den Weser-Terrassen, oft waren wir auch im Schnürschuh-Theater. Bremen be­gleitet uns also schon sehr lange – und unser Schlagzeuger kommt aus der Nähe.

 


DOTA Albumcover 'Springbrunnen'
DOTA Albumcover ‚Springbrunnen‘

Auf ihrem siebten Album zeigen sich die Berliner Sängerin Dota Kehr und ihre Band filigraner und minimalistischer denn je. Bekannt für ihre Mascha-Kaléko-Vertonungen, lässt das neue Werk mit eigenen, nachdenklichen Texten wie eingangs in ‘Der Frühling’ aufhorchen. Die detailverliebte Instrumentierung verleiht den Stücken Tiefe. ‘Im Springbrunnen Baden Mit Nackten Milliardären’ untermalt einen absurd-kritischen Fiebertraum mit dichten Sounds, während ‘Ich Und Er’ bluesig eine Beziehung seziert. Das tanzbare ‘Ein Gutes Buch’ fragt, ob Viralität heute wichtiger ist als Inhalt. ‘Alles glänzt/Die Hoffnung’ blickt melancholisch auf Klimakrise und Solidarität. ‘Alle Sind Zurück In Der Stadt’ fängt beschwingt das Ende der Sommerferien ein, ‘Ein Gutes Versteck’ erinnert schwebend an ‘Radiohead’ und beschließt das Album enigmatisch. ‘Springbrunnen’ bringt einen Sound zum drin baden – eine heimliche Sommerplatte zwischen Weltuntergang und Zuversicht.


Der BREMER-Musikredakteur Christoph bewertete das Album in der Juni-Ausgabe mit ganzen 4 von 5 Sternen!

Hut ab!

Christoph Becker

Am 20. September um 19 Uhr, Modernes

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