The Beat Goes On – Schorsch Kamerun im Interview

Nach der wohlverdienten Spielzeitpause geht es mit der Geburtstagspremiere im Theater am Goetheplatz klangvoll weiter. Bei ‘The Beat Goes On’ führte Schorsch Kamerun Regie – Sänger und Gründungsmitglied der Hamburger Punkband ‘Die Goldenen Zitronen’. Der BREMER interviewte ihn.

Schorsch Kamerun Foto: Jörg Landsberg

Zum 75-jährigen Bestehen des Theaters am Goetheplatz inszeniert Regisseur und Musiker Schorsch Kamerun mit ‘The Beat Goes On’ eine begehbare Jubiläumsgala – zwischen Konzert, Performance und Stadterkundung. Gemeinsam mit den Bremer Philharmonikern, jungen Akteur:innen und Ensemblemitgliedern entfaltet sich ein musikalisches Porträt Bremens, das von kolonialen Schatten bis zu utopischen Zukunftsentwürfen alles streift. Ein Abend zwischen orchestraler Wucht, politischer Revue und Club-Atmosphäre – laut, lebendig und voller Geschichte.

BREMER: Du hast schon mehrmals am Theater am Goetheplatz inszeniert – was verbindet Dich mit dem Haus?

Schorsch Kamerun: Ich schätze die Offenheit des hiesigen Theaters sehr, seine Bereitschaft viel auszuprobieren. Und dann sind die Leute, die dort arbeiten, sich damit identifizieren, eine ganz besondere Gemeinschaft. Es besteht ein Bekenntnis, sich dort zusammen zu erfinden. Außerdem ist Bremen mit seiner Szene, seinen Läden, seiner Haltung als Stadt schon immer eine Liebe von mir gewesen, auch für mich als Goldene Zitronen-Sänger.

Schauspieler Martin Baum und Sängerin: Elisa Birkenheier Foto: Jörg Landsberg

Du hast mal gesagt, dass dich die wechselvolle Geschichte des Theater Bremen besonders berührt. Was genau meinst du damit?

Wir erzählen über die Nazi-Vergangenheit, genau wie auch über die visionären Versuche von Fassbinder oder Tabori an der Concordia-Studiobühne. Darüber hinaus wollen wir die Zusammenhänge und Einflüsse zu den prägenden Stadt-Ereignissen aufführen. So sind auch Beatclub, Räterepublik, Kolonialismus, Rekrutenvereidigung im Weserstadion, Schaffermahl, Gesche Gottfried oder die Straßenbahnunruhen Thema.

‘The Beat Goes On’ ist eine begehbare Jubiläumsgala – wie bist Du auf dieses Format gekommen?

Es nennt sich ‘begehbare Konzert-Installation’. Wir haben das schon in der Berliner Volksbühne, in der Baustelle ‘Stuttgart 21’, oder zuletzt auf Marktplätzen in Leipzig und Aachen aufgeführt. Die Idee ist der Versuch, eine besondere physische Direktheit, ein Happening-artiges Miteinander herzustellen. Ganz wie bei einem aufregenden Geburtstag eben…

Im Stück geht es quer durch Bremens Geschichte – vom Kolonialwarenladen bis zum Zukunfts-Start-up. Wofür steht Bremen für Dich persönlich?

Die Stadt hat – wie jede andere auch – schon ein paar echte Leichen im Keller. Aber mir scheint, die Leute verschweigen das nicht und versuchen progressiv damit umzugehen. Außerdem erlebe ich den kritischen Stadtgeist weiterhin als sehr wach. Und daraus wird dann das, was man eine bunte Stadt nennt.

Eine Station ist der legendäre Beatclub – warum war Dir dieser popkulturelle Bezug wichtig?

Weil Radio Bremen mit dem Beatclub, dem Musikladen und dessen Erbe so krass weit vorn war. Mich und unendlich viele andere hat das stark sozialisiert als Fenster in eine neue Welt. Spoiler: Unsere Installation ist auch eine Art Geburtstags-Ausstellung mit verschiedensten Exponaten aus der Theater- und Stadtgeschichte und tollerweise haben wir einige original Steine aus dem Beatclub geliehen bekommen. Aber auch das Fragezeichen von ‘Am Laufenden Band’ und das berühmte Loriot-Sofa. All das mischen wir mit wahren und gefälschten Schaustücken und Storys.

Loriot Sofa vor dem Eingang von Radio Bremen Foto: wfb/Carina Tank

Du arbeitest hier mit einem ziemlich diversen Ensemble. Wie hast Du all diese Stimmen und Energien zusammengebracht?

Indem wir möglichst kollektiv erfinden. Ich glaube nicht an ‘top down’-Aufführungen, also an autoritäre Kunstproduktionen als Weg zur lebendigen Show mit ganz vielen. Außerdem bringt es auch echt keinen Bock, immer nur allein zu singen.

Das Stück ist eng mit der Stadt verknüpft – auch durch die Zusammenarbeit mit dem Focke-Museum oder Radio Bremen. Was bedeutet Dir die lokale Vernetzung?

Ich wollte schon immer genau wissen, wo ich auftrete, wie die Situation, der Diskurs vor Ort ist. Deshalb haben wir vor über vierzig Jahren eine Band gegründet, die rumfährt und sich vernetzt. Eigentlich geht es weiterhin ganz banal darum, Leute kennenzulernen und gemeinsam was zu machen. Das ist auch gleichzeitig der Vorschlag meiner Inszenierungen: Come together!

‘The Beat Goes On’ klingt nach Weitermachen, nach Zukunft. Was willst Du den Bremer:innen mit diesem Abend zum 75. Theater Bremen-Jubiläum mitgeben?

Es geht ums Erinnern, Reflektieren und auf Veränderungen reagieren. Wir wollen verstehen, wie wir und andere ticken, um dann gemeinsam abzugehen. Das darf auch komplex sein, weil: einfache Lösungen behaupten die Populisten.

Interview: Christoph Becker, Text: Mika Dunkel

Premiere am 24. August um 18 Uhr

Weitere Termine:

30. August um 19 Uhr

31. August um 18 Uhr

7. September um 18 Uhr

17. September um 18 Uhr

Theater am Goetheplatz

Infos und Tickets: theaterbremen.de

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