In seiner dritten Regiearbeit erzählt Schauspiel-Star Ralph Fiennes („Der englische Patient“) die wahre Geschichte des sowjetischen Ballett-Egomanen Rudolf Nureyev.
Nach einem Gastspiel in Frankreich weigert sich der Tänzer nach Moskau zurückzukehren. Der KGB-Offizier zetert, Ballett-Meister Pushkin (Ralph Fiennes) gibt sich zerknirscht, dass sein Schützling seine Heimat und auch ihn so schmählich verlassen hat. Der Mentor gab große Stücke auf das Talent, dessen Gattin war derweil von anderen Qualitäten des jungen Heißsporns begeistert. Wie seine sexuelle Orientierung tatsächlich aussieht, wird Rudi erst durch den deutschen Tänzer Teja (Louis Hofmann) richtig klar. Einmal mehr lässst Autor David Hare („Der Vorleser“) die Handlung vergnügt auf mehreren Zeitachsen spielen. Da gibt es die Geburt in der sibirischen Eisenbahn. Dicht gefolgt vom begeisterten Besuch in Paris. Und wieder zurück zum Tanz-Training als Teenager. Solches Hakenschlagen der Handlung mag nicht zwingend nötig sein, ein bisschen überambitioniert und allemal gewöhnungsbedürftig. Dramaturgische Pirouetten freilich passen zur Choreografie eines Ballett-Biopics allemal besser als eine konventionelle Chronologie der biederen Art. Im Unterschied zur gängigen Denkmalpflege bei Biografien, verzichtet Fiennes auf Weichzeichner und zeigt den Tanz-Star mit Ecken und Kanten. Die Grenze vom Exzentriker zum Egomanen wird von Nureyev regelmäßig überschritten. Das Publikum freilich liegt ihm zu Füßen. Mit dem ukrainischen Oleg Ivenko fand Fiennes einen Hauptdarsteller, der dem Ballett-Star nicht nur optisch recht ähnlich sieht, sondern mit tänzerischem Können und Leinwandpräsenz zu überzeugen weiß. Mit dem Showdown in der nachgebauten Flughafen-Halle von Le Bourget gelingt ihm ein suspense-starkes Finale, das durchaus Hitchcock-Qualitäten bietet.
Dieter Oßwald