‘Landschaft, Technik, Medien’ – so lautet der Untertitel der neuen Ausstellung in der Kunsthalle Emden. In Bremer Sammlungen und überhaupt im Nordwesten ist Franz Radziwill eine bekannte Größe und dementsprechend viel vertreten. Die aktuelle Ausstellung wirft aus zeitgenössischer Perspektive einen neuen Blick auf sein Werk.

Werke von Franz Radziwill (1895-1983), zu dessen Lebzeiten unter anderem die Rüstungsindustrie technische Entwicklungen beförderte, werden in der Ausstellung mit solchen von jüngeren und teils ganz zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern zusammengebracht. Gentechnik, künstliche Körperteile und omnipräsente Überwachung sind nur einige der Themen, mit denen sich die ausstellenden Künstler beschäftigen. Radziwills Werke werden im Kontext der Gegenwartskunst aus einer neuen Sicht gezeigt. Der Fokus liegt somit verstärkt auf den zeitgenössischen Positionen und nicht auf Radziwill selbst, was diese Ausstellung besonders macht und von vorherigen, beispielsweise in der Kunsthalle Bremen, abhebt.

„ … ich halte die Technik nicht für böse; böse aber kann sie oft werden, wenn sie falsch gehandhabt wird, eben böse.“ – Franz Radziwill

Eine zentrale Rolle in Radziwills Werk nimmt die Doppelrolle der Technik ein: Auf der einen Seite die neuen Möglichkeiten des Handelns und der Gestaltung der Lebenswelt. Auf der anderen Seite die versachlichte Bedrohung und die Entfremdung von der natürlichen Lebenswelt.

Die Auseinandersetzung mit den ambivalenten Möglichkeiten, Erscheinungsweisen und Auswirkungen der Technik gehören zu den zentralen gesellschaftlichen Themen seit Beginn der Moderne. Ihrer historischen und gesellschaftlichen Bedeutung entsprechend, nimmt die Frage nach dem Verhältnis des Menschen zur Technik einen breiten Raum in der Kunst ein. Vom industriellen über das elektronische Zeitalter bis zur digitalisierten Welt der Gegenwart haben Künstler auf die Herausforderungen des technischen Fortschritts reagiert – und das auf unterschiedlichste und vielfältige Weise.

Von den Beschwörungen des technischen Fortschritts bei Radziwill bis zu aktuellen künstlerischen Positionen reflektiert die Ausstellung in Emden in exemplarischer Weise die Auseinandersetzung mit drängenden Fragen, die sich aus den technischen Innovationen seit dem 20. Jahrhundert ergeben.

Im historischen Vergleich wird der Paradigmenwechsel ebenso wie die anhaltende Aktualität und Virulenz einiger bereits bei Radziwill akuter Themen thematisiert: die Entwicklung industrieller Produktions-, Transport- und Kommunikationssysteme, die Auswirkungen des technischen Fortschritts auf die Umwelt, die Zerstörungskraft des Kriegs, die ambivalente Rolle der Medien für das Verhältnis des Menschen zur Wirklichkeit, die algorithmische Verarbeitung und Vernetzung von Informationen sowie die Rekombination und Synthese von Leben.

„Nur Spezialisten wissen, wie und warum es so funktioniert. Hier liegt nun das Unheimliche, ja das Spukhafte und Erregende, das unser Tun und Leben beeindruckt, bedrängt und manchmal an irgendeinem Tag auch ganz fordert.“ – Franz Radziwill

Die Ausstellung ‘Radziwill und die Gegenwart – Landschaft, Technik, Medien’ möchte zeigen, wie Künstler zunehmend über Reaktion und Reflexion der Prozesse hinausgehen, sich selbst Kenntnisse wissenschaftlich-technischer Innovationen aneignen und deren Anwendungen im Hinblick auf ihre ästhetische und gesellschaftliche Relevanz mitbestimmen.
Sara Suchalla

Die Ausstellung läuft bis zum 13. Januar 2019 in der Kunsthalle Emden. Weitere Informationen unter www.kunsthalle-emden.de

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