„Ich wünsche niemanden, dass er den, den er liebt, durch eine Glasscheibe anschauen muss“, sagt die junge Frauenstimme zu Beginn aus dem Off.

Gemeint ist die Scheibe im Besucherraum des Gefängnisses, welche die neunzehnjährige Tish von ihrem Geliebten Fonny trennt. Barry Jenkins neuer Film nach dem Roman von James Baldwin zeigt, wie ein junges afroamerikanisches Paar im Harlem der 70er-Jahre in die Mühlen von Polizei- und Justizwillkür gerät. Zwei Zeit­ebenen werden elegant ineinander verschlungen: Der Kampf der schwangeren Tish und ihrer Familie um die Freilassung des Verlobten, der zu Unrecht eines Vergewaltigungsvergehens angeklagt ist und in Rückblenden die aufblühende Liebe des jungen Paares, das gerade dabei ist, sich ein gemeinsames Leben aufzubauen.

Dabei arbeitet der Film nicht mit gängigen Empörungsmustern. Dass ein Afroamerikaner unschuldig im Gefängnis landet, gehört für die Figuren zum rassis­tischen Normalzustand. Sehr viel effizienter stellt Jenkins dem juristischen Willkürakt eine riesengroße Lovestory gegenüber. Sie umfasst nicht nur Tish und Fonny, die um ihr Lebensglück kämpfen, sondern auch deren Familie, die den letzten Verteidigungswall gegen die strukturelle Gewalt bildet. Die Großaufnahmen greifen direkt ins Herz. Artifizielle Präzision und emotionale Dringlichkeit arbeiten in diesem filmischen Meisterwerk auf eine sehr sinnliche Weise Hand in Hand.

Der Film ist das kraftvollste cineastische Bekenntnis, das man sich zur ‘Black Lives Matter’-Kam­pagne vorstellen kann.
Martin Schwickert

Drama, USA 2018, R.: Barry Jenkins, D.: KiKi Layne, Stephan James, Regina King, Filml.: 119 Min. Start: 7. 3.

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