Worpswede wird 800 Jahre alt! In einer großen Gemeinschaftsausstellung erkunden die Worpsweder Museen, wie die Kunst ihren Ort geprägt und verändert hat. Den über Jahrzehnte verfestigten Sichtweisen auf vergangene Worpsweder Zeiten werden zum Jubiläum neue Standpunkte gegenübergestellt.

Es war der Traum vieler Worpsweder Künstler, Kunst, Landschaft und Leben miteinander zu vereinen. Mit der Gründung der Künstlerkolonie im Jahr 1889 schufen sie den ‘Mythos Worpswede’ und gaben dem Dorf im Teufelsmoor eine ganz neue Identität, die bis heute weiterwirkt. Am Beispiel Worpswedes und seiner Kunstwerke untersucht die Ausstellung ‘Kaleidoskop Worpswede’, wie Kunst heute unseren Blick auf die Wirklichkeit verändern und damit neue Perspektiven eröffnen kann. Die Fragen, die die Ausstellung stellt, und die Antworten, die sie gibt, sind überraschend, erhellend und manchmal auch irritierend – der Ort und seine Kunst werden neu und auf ganz andere Weise fassbar.

Die Große Kunstschau wird unter dem Motto [anders] schauen zum Ort eines neuen Kunst-Sehens. Alt- und Neubau werden konzeptuell zusammengeführt; alte und neuere Worpsweder Gemälde treffen auf Werke internationaler Kunst. Die expressionistische Architektur Bernhard Hoetgers wird reinszeniert und dadurch neu erlebbar. Im Altbau wird die Umwidmung der Räume am radikalsten spürbar: Die Rotunde wird für die Dauer der Jubiläumsausstellung zu einem Ort der Produktion. Über die gesamte Ausstellungsdauer wird der Berliner Künstler Tilo Schulz die zentrale Rotunde immer weiter bearbeiten und verändern.

Auf dem Barkenhoff geht es um das Spannungsfeld zwischen Kunst und Land(wirt)­schaft. Hier sind passend zum Thema [anders] gestalten drei Künstlerinnen für längere Zeit in der Künstlerkolonie zu Gast: Viele spannende Projekte können bestaunt werden. Die Südtirolerin Gabriela Oberkofler hinterfragt beispielsweise durch künstlerische Interventionen die aktuelle Relevanz der Jugendstil-Kunst Heinrich Vogelers. Ein wei­teres Highlight: Vier von renommierten Architekturbüros entworfene Bienenhäuser werden im Umfeld der vier Worpsweder Museen aufgestellt und vom Imkerverein Teufelsmoor mit Leben gefüllt.

[anders] weben: Die Kunst des Webens hat im Haus im Schluh Tradition. Weltweit ist die Weberei eine der wenigen alle Kulturen übergreifende Technik und künstlerische Ausdrucksform. In einer Zeit, in der die Welt immer enger miteinander verwoben und vernetzt ist, erlebt dieses traditionelle Handwerk derzeit eine neue Blüte in der aktuellen Kunst.

Für vier Monate wird im Haus im Schluh eine Akzentverschiebung von Heinrich zu Martha Vogeler realisiert. Sie hat diesen bis heute idyllischen und authentischen Ort aufgebaut und inhaltlich geformt. Ihre Handweberei und ihr Gästehaus werden mittlerweile in der vierten Generation von der Familie betrieben. Das Generationenthema und die Technik des Webens werden in teilweise raumgreifenden Kunstwerken von aktuellen Künstlerinnen und Künstlern thematisiert. Darüber hinaus wird es eine Sonderpräsentation mit Werken von Mieke Vogeler geben.

In der Worpsweder Kunsthalle lautet das Motto [anders] leben. Kunst, Geschichte, Zukunftsforschung und Wissenschaft formen dabei einen sinnlichen Denkraum, der zur Plattform für Diskurse über den Ort Worpswede werden soll. Die Ausstellung beginnt mit einer verdichteten Darstellung des Dorfes vor 1914. Im Zwischengang folgen Texte und utopische Entwürfe, die im 20. Jahrhundert in Worpswede entwickelt wurden. Im größten Ausstellungsraum öffnen zudem Studierende der Architekturtheorie der RWTH Aachen neue Wege durch den Ort. Die von Professor Axel Sowa geleitete Gruppe konnte dank einer Kooperation mit den Künstlerhäusern Worpswede ihre ‘erfinderischen Analysen’ vor Ort betreiben.
Sara Suchalla

Bis zum 4. November in den Museen Worpswede.
Weitere Informationen unter www.worpswede-museen.de

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