Mit ‘Kirschblüten – Hanami’ gelang Doris Dörrie anno 2008 ein bayrisch-japanisches Liebesdrama, das zum großen Berlinale-Liebling avancierte und mehr als eine Million Zuschauer ins Kino lockte.

Zehn Jahre später folgt nun die Fortsetzung. Und weil sie schon gestorben sind, treten Trudi und Rudi (Hannelore Elsner, Elmar Wepper) nun nur noch als Geister auf.
Deren Sohn Karl (Golo Euler) führt ein denkbar tristes Leben. Viel Schnaps, wenig Liebe. „Raus mit dir, du Elend!“ tobt die Ex, als Karl volltrunken zur Geburtstagstagsfeier der kleinen Tochter torkelt. Unerwartete Hilfe naht mit der Japanerin Yu, die plötzlich vor der Türe steht: „I am Yu“, grüßt die Dämonin programmatisch. Einst spielte sie den guten Geist für den todkranken Vater Rudi, nun will Yu den orientierungslosen Sohn auf die richtige Spur bringen. Vor der Erleuchtung gilt es, alte Trauma-Trümmer abzuräumen: Belastende Erinnerungen an die Kindheit. Das zerrüttete Verhältnis zu Eltern und Geschwistern. Nicht nur im Privaten, auch politisch besteht Klärungsbedarf: Von väterlichen Altlasten aus der NS-Vergangenheit bis zum rechtslastigen Bruder, dessen Sohn rigoros gegen den ‘AFP’-Papa rebelliert. „Manchmal ist es besser, wenn man sich an nichts erinnert!“, rät die dicke Wirtin dem verzweifelten Helden in der Krise. Die kluge Yu jedoch fordert unerbittlich, dass sich ihr Schützling endlich seinen Dämonen stellt.

Mit wenigen Pinselstrichen gelingt es Doris Dörrie, die Figuren ihrer Familienaufstellung psychologisch plausibel zu entwerfen und dabei mit dem sonst oft vernachlässigten Empathie-Potenzial gut auszupolstern. Wie im Vorgänger geht es mit angenehmer Leichtigkeit ums Eingemachte: Wie läuft dein Leben? Warum klemmt das Glück? Was tun? Traditionell verspielt werden Identitätssuchen mit putzigen Masken bebildert: Mann mit großem Katzenkopf schlendert durch die hektischen Massen an Tokios ikonischer Zebrastreifen-Kreuzung – solche Bilder besitzen nahezu Klassikerqualitäten, grandios sind sie allemal. Bei den pointierten Dialogen zahlt sich die langjährige Roman-Erfahrung der Regisseurin aus. Ob Jammern auf hohem Niveau („Es ist als wäre ich ein Gespenst los. Der, der ich war. Oder hätte sein sollen. Aber nie habe werden können. Ich warte auf das große Entsetzen, aber es kommt nicht.“).

Ob amüsant verknappte Vergangenheitsbewältigung („Hier stinkt’s wie früher!“). Oder kleine große Weisheiten („Die Zeit, in der man lebt, ist sowieso viel so kurz. Da hat man die Pflicht, glücklich zu werden.“). Mit dem leinwandpräsenten Golo Euler als schwer verunsichertem Karl auf dem holprigen Erleuchtungspfad ist ein überzeugender Nachfolger für Elmar Wepper gefunden.

Mit dem smarten Sequel der Gespenstergeschichte erweist sich die Dörrie einmal mehr als unterhaltsame Kinoerzählerin mit Magie und Mehrwert.
Dieter Oßwald

Drama, DEU 2019, R.: Doris Dörrie, D.: Golo Euler, Aya Irizuki, Hannelore Elsner, Filml.: 116 Min., Start: 7.3.

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