Am 1. Juni erschien das neue Album der Berliner – ‘Berlin’. Da mag man jetzt denken: „Wow, wie innovativ…”. Doch Ben, der Sänger der Band Milliarden, hat dem BREMER erläutert, warum sie denken, dass Berlin dringend einen Imagewechsel benötigt und was sie von dem Gehype um ihre Stadt halten.

BREMER: Was haltet ihr von Bremen, wie waren eure bisherigen Besuche hier?
Ben Hartmann: Der Tower ist mittlerweile sowas wie eine Heimat im Norden, die Breminale eine ganz große Liebe und eure Rollos treiben uns jedes Mal in den Bankrott: Also pure Hass-Liebe. Jetzt wird es endlich Zeit, den Schlachthof zu besetzen.

Kommt eurer Meinung nach überhaupt eine andere Stadt an euere Heimat Berlin heran?
Heimat ist eben das besondere Gefühl. Gegen die Verwurzelung mit Berlin ist nichts zu machen. Ich kann es einfach riechen, wenn ich zu Hause. Trotzdem ist es doch so, dass unsere deutschen Städtchen im Vergleich zu Metropolen der Welt eher kleinere Spielplätze sind. Ich war gerade in Neapel und es war Hammer. Belgrad soll Wahnsinn sein, Odessa, Damaskus vor dem Krieg… und natürlich Bremen!

‘Berlin’ heißt euer neues Album. Was bewog euch dazu, euer Album so zu benennen? War das nicht ziemlich riskant aufgrund des eher ermatteten Berlin-Begriffs?
Das stimmt. Es tut weh, dieses Wort zu benutzen. Immer wieder neu missbraucht und tot beworben. Unser Album ist der Versuch, es mit unserer Geschichte von Liebe und Tot zu beleben und zurück zu erobern. Ja, das ist riskant, aber wir hoffen, dass die Leute unsere Geschichten hören und merken, dass die Wunden echt sind. Denn da ist nichts ausgedacht. Das Album ist auch kein Konzept, sondern fand seinen Namen durch die Lieder, die da drauf sind. Das ist alles naiv. Aber anders geht das auch nicht.

Welche Veränderung nehmt ihr in Berlin wahr? Geht euch das ‘gehype’ auf die Nerven?
So wie die Architektur der Stadt verändern sich auch die Menschen. Überschriebene, vereinheitlichte Masse steht jetzt vor individuellem Risiko und Lust. Die Oberflächen gleichen sich nach und nach an und geben den Maßstab für alles, was nachkommt, es wird hier langweilig werden. Die Risse, Freiräume und Anti-Orte, also alle Plätze, die sich einer Marktlogik entziehen und somit spannende Projekte, Gedanken und Kunst produzieren, verschwinden nach und nach. Miete hoch, Proleten weg, Künstler weg, Obdachlose über­all aber keiner sieht sie mehr! Menschen verschimmeln und daneben hält der Benz, um Geld aus dem Automat zu ziehen. Die Alten sammeln überall Flaschen und Kids starren mit ihren Supreme Augen in die i-Phones – ja, wie du merkst, es geht mir sehr auf die Nerven.

Apropos, was haltet ihr eigentlich von der Band ‘Die Nerven’?
Bis ‘Fake’ habe ich mich nicht so richtig mit der Band beschäftigt. Aber mit diesem Album bin ich auf den Geschmack gekommen! Das ist jedoch auch unterschiedlich bei uns. Manche von uns brauchen diese Art der Lyrik nicht so sehr. Aber ich kann für mich sagen, dass mich das wirklich positiv getroffen hat.

Seid ihr eigentlich ein Duo oder eine Band?
Wir sind eine Gruppe, in der jeder seine Expertisen auslebt und einbringt. Manche Dinge wie Texte oder so liegen schon sehr klar in einer Hand, aber ansonsten fliegen die Impulse viel durcheinander…

Gibt es eine Rollenverteilung?
Ja, aber die Rollen heißen bei uns nicht Backliner oder Sänger oder so. Das macht sich eher an den Charakteren fest. Wir haben die Lauten und die, die immer Drogen nehmen, die, die den Überblick haben und die Ruhigen. Aber nichts schließt sich gegenseitig aus und wir sind eingespielt und lieben uns auch einfach. Deswegen ist es nicht schlimm, wenn sich Basisdemokratie blitzschnell in eine knallharte Diktatur verwandelt…

Spielt ihr lieber mit oder ohne Düsel?
Was ist Düsel? Meinst du Rollo? Dann mit…

Was hört ihr privat gerade für Musik? Was gibt’s für All-Time-Favourites?
Christiane F., deutsche Laichen, Trio und Jon Hopkins sind gerade hoch im Kurs. Und ein Album, das immer geht: ‘Sound and Color’ von den Alabama Shakes.

Mit welchem Künstler oder welcher Künstlerin würdet ihr gern einmal zusammenarbeiten?
Ich würde gerne mal mit Harmony Korine durch die Mongolei reiten… Ja, das wäre schön…
Gesine Hellerich

Milliarden am 26. September um 20 Uhr im Schlachthof

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