Mit seinen Leuchtenentwürfen könnte man einen ganzen Lampenladen füllen: Zum 100-jährigen Bauhausjubiläum widmet das Wilhelm Wagenfeld Haus den erhellenden Objekten des Produktdesigners eine ganze Ausstellung.

Im Laufe seiner Karriere hat der Gestalter fast 150 Leuchten entworfen.

Warum das Thema Leuchten die Menschen bis heute fasziniert, erklärt Dr. Julia Bulk, Direktorin des Wilhelm Wagenfeld Hauses, wie folgt: „In fast allen Religionen ist das Licht mit dem Göttlichen verbunden, die dunkle Nacht dagegen mit finsterem Chaos. Später gilt der Lichtstrahl als Symbol der Aufklärung. Anfang des 20. Jahrhunderts gab dann das elektrische Licht ganz neue Möglichkeiten, Räume zu gestalten. Heute können wir problemlos die Nacht zum Tag machen, doch noch immer spüren wir in der Nähe von Lichtquellen Geborgenheit und Wärme.“

Gleich der erste Leuchtenentwurf Wagenfelds ging in die Designgeschichte ein. Kaum ein anderes Objekt verkörpert die Ziele des Bauhauses so eindrucksvoll wie seine Tischleuchte von 1924, die schon bald gemeinhin als ‘Bauhausleuchte’ bezeichnet wurde und als Ikone des modernen Industriedesigns gilt.

An diesem Entwurf für das ‘Maschinenzeitalter’ lassen sich die Hoffnungen und Herausforderungen der berühmten Kunstschule besonders deutlich ablesen. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Ausstellungen im Bauhaus-Jahr will ‘Wilhelm Wagenfeld: Leuchten’ kein ‘Bauhaus-Best Of’ zeigen, sondern präsentiert die berühmte Tischleuchte als Ausgangspunkt einer außergewöhnlichen Rezeptionsgeschichte, die aufzeigt, wie sich die Bauhausidee in den 50er bis 70er Jahren im Werk Wagenfelds weiterentwickelt hat. Führt er das Bauhaus-Projekt fort oder erarbeitet er ganz neue Ansätze?

Auf den ersten Blick scheint sich Wilhelm Wagenfeld in der Nachkriegszeit von den Idealen des Bauhauses zu lösen. An Stelle von streng geometrischen Formen wie  Kugel und Zylinder entwickelt er für die Glashütte ‘Peill & Putzler’ Leuchten mit organisch fließenden Formen. Es entstehen Pendelleuchten, die Ruhe und Harmonie ausstrahlen und filigrane Deckenleuchten, die sogar mit Dekor experimentieren.

Diese wunderbaren Entwürfe hätte wohl kein Formmeister am Bauhaus befürwortet. Dennoch schreibt Walter Gropius, der erste Direktor der einflussreichen Kunstschule um 1960, dass niemand ‘die Grundidee des Bauhauses so wirkungsvoll weiterentwickelt’ habe wie Wagenfeld.

Ein weiterer Teil der Ausstellung verdeutlicht, dass Wagenfelds Verbindung zum Bauhaus über eine rein formale Ähnlichkeit weit hinausgeht.

In Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Lindner verankert der Gestalter seine Entwurfspraxis im industriellen Umfeld. Insofern löst seine in Stuttgart gegründete ‘Werkstatt Wagenfeld’ ein, was Gropius mit dem Konzept des ‘künstlerischen Labors’ vorgedacht hatte. Daher gestaltet Wagenfeld keine einzelnen Objekte, sondern ganze Typenreihen, die das Angebot des Herstellers abdecken und sein Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit prägen. Es entstehen keine modischen, extravaganten Kronleuchter, sondern gute und preiswerte Leuchten auch für bisher wenig beachtete Bereiche wie Bad, Keller und Flur. Insofern erinnert Wagenfelds Leuchtenprogramm an das vom zweiten Bauhausdirektor Hannes Meyer propagierte Motto ‘Volksbedarf statt Luxusbedarf’.

Das Schlusskapitel der Ausstellung wendet sich wieder der Bauhausleuchte zu und zeigt, wie prägend ihre Form auch über ein halbes Jahrhundert später noch ist. Zeitgenössische Leuchtenentwürfe erweitern den Blick und zeigen, wie heutige DesignerInnen an Wagenfelds Œuvre anknüpfen.

DesignerInnen wie Gio Ponti, Vico Magistretti oder Gae Aulenti arbeiten mit neuen Materialien, Konzepten und Formen und lassen sich doch als Interpretation der Bauhausleuchte lesen.

Das Bauhaus bestand nur 14 Jahre und hatte dennoch einen unglaublichen Einfluss auf die Designentwicklung. Auf die Frage, warum das so ist, hat Dr. Julia Bulk eine einleuchtende Antwort parat:

„Ich glaube, dass viele Menschen bis heute fasziniert sind vom dem unbedingten Reformwillen des Bauhauses. Man wollte die Welt neu gestalten, besser machen. Dieser soziale Aspekt von Gestaltung hat Wagenfeld übrigens sein ganzes Leben hindurch begleitet. Das Bauhaus war auch eine Antwort auf die Sinnkrise einer sich rapide ändernden Gesellschaft. Leben wir heute in einer ähnlichen Situation? Auf jeden Fall blicken Viele mit Sehnsucht auf das ‘utopische Potential’ des Bauhauses.“
Regina Gross

Vom 24. Mai bis zum 27. Oktober im Wilhelm Wagenfeld Haus, Am Wall 209. Öffnungszeiten: Di. 15-21 Uhr, Mi. bis So. 10-18 Uhr. Führungen: So. 13 Uhr und nach Vereinbarung unter Tel.: 33 999 33. Weitere Informationen unter www.wilhelm-wagenfeld-stiftung.de

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