SCHILLER kommt mit ‘Sommerlust’
So das Motto seiner diesjährigen Open Air Show, mit der er bereits zum vierten Mal die Seebühne eröffnen wird. Seine besondere Verbindung zu Bremen zeigt der Elektromusiker außerdem im Herbst, wenn er mit ‘Wanderlust’ auf Tour geht und im Modernes halt macht. Über all dies und mehr hat der BREMER mit ihm gesprochen.
BREMER: Du warst zur Eröffnung 2021 schon dabei und bist jetzt zum vierten Mal auf der Seebühne. Was macht diesen Ort für Dich so besonders?
SCHILLER: Die Location am Wasser mit dem Hafen im Hintergrund ist atmosphärisch einmalig, dazu kommt die große Fläche mit dem weiten Himmel. Das Team der Seebühne gestaltet das mit ganz viel Liebe zum Detail. Ich finde es toll, dass die Veranstalter während der Pandemie gesagt haben, wir wollen etwas aufbauen. Man spürt einen besonderen Zusammenhalt. Der zweite Aspekt: Ich komme zwar aus Visselhövede, bin aber in Bremen quasi musikalisch groß geworden. Das verbindet (lacht). Oft war ich im Bremer Nachtleben unterwegs und hatte hier viele Freunde. Heute bin ich extra zwei Stunden früher angereist, um noch einen Spaziergang an der wunderschönen Weser zu machen. Bremen ist für mich, was die Größe und kulturelle Vielfalt angeht, eine perfekte Stadt. Es gibt von allem etwas.
Man ist aber nicht so eingeschüchtert wie in Berlin, wo man durch das Überangebot oft Zuhause bleibt, weil man sich nicht entscheiden kann.
Was kann man von Deinem Seebühnen-Programm ‘Sommerlust’ erwarten?
Das ist dieses Jahr das Motto der Open Air-Tour. ‘Sommer’ steht für draußen, für das Unbefangene und ein positives Lebensgefühl. ‘Lust’ hat etwas mit der Freude an Musik, mit Lebenslust zu tun. Ich wünsche mir, dass unsere Konzerte ein kleiner Hort des Glücks werden, in dem man vom Alltag Urlaub machen kann. Musik hat immer noch diese Kraft, Menschen zusammenzubringen.
Wie bist Du überhaupt zur Musik gekommen?
Da gibt es zwei Wege. Der traditionelle, als ich sechs Jahre alt war, hat mein Großvater mir ein Klavier geschenkt, worüber ich mich sehr gefreut habe. Als dann die Klavierlehrerin vor der Tür stand, war ich weniger begeistert (lacht). Ich habe sehr störrisch die Grundzüge des Klavierspielens über mich ergehen lassen, mich aber immer etwas geweigert, das, was vor über hundert Jahren komponiert wurde, jetzt fehlerfrei nachzuspielen. Das hat mich einfach nicht motiviert. Wobei ich die Grundzüge des Fingersatzes zum Glück mitgenommen habe. Der zweite Weg war eine verrauschte Tangerine Dream-Kassette, die mir 1982 mein Freund aus Bremen vorgespielt hat. Das war das erste Mal, dass ich diese Form von Musik gehört habe. Diese Klänge faszinieren mich damals wie heute. Sie schufen bei mir ohne Umwege, ohne dass sich ein Künstler in den Vordergrund stellt, ohne Texte oder eine Message dazwischen, eine direkte Verbindung zwischen Musik und Emotion. Diese beiden Wege konnte ich dann miteinander verbinden. Die Überbleibsel der klassischen Ausbildung mit dem Wunsch, als Klangalchemist zu arbeiten.
Deine Club-Tour ‘Wanderlust’macht im November im Modernes in Bremen Halt. Was unterscheidet diesen Auftritt von der Seebühnen-Show?
Die Tour wird sehr elektronisch, sehr clubbig werden. Im Gegensatz zur ‘Sommerlust’ steht das Publikum, so dass ich die Musik auch anders lenken kann. Da kann ich die Menschen zum Mitschwingen bringen. Das Modernes ist dazu ein fantastisches Venue und es ist toll, dass es den Club noch gibt. Mein bester Freund, der mir damals die Kassette mit ‘Exit’ von Tangerine Dream vorgespielt hat, der wohnte in der Kleinen Johannisstraße. Ich war als Jugendlicher oft bei ihm und konnte das Modernes dort von oben sehen. Seine Eltern haben am Wochenende immer geklagt, dass es dort so laut ist (lacht). Ein paar Jahre später bin ich dann selber dorthin gefahren, um zu feiern. Im Herbst dort zu spielen, ist wirklich eine tolle Energiebündelung.
Wie viel Raum für Improvisation und Spontanität gibt es bei Deinen Shows?
Bei der ‘Sommerlust’ sind wir zu dritt auf der Bühne plus Gäste am Gesang. Da ist der Zielkorridor relativ klar definiert. Man kann sicherlich mal ein Stück überspringen oder etwas länger ausgestalten, aber ansonsten ist es rein logistisch schwer, große Veränderungen vorzunehmen. Das macht aber nichts. Das Programm ist so aufgebaut, dass jeder Musiker Stellen für Solo-Einlagen bekommt, ansonsten hat die Show eine feste Dramaturgie. Bei der ‘Wanderlust-Tour’ bin ich alleine mit meinem ‘Synthesizer-Orchester’ und habe deswegen die alleinige Macht über die Maschinen. Manchmal haben sie auch Macht über mich, wodurch Dinge entstehen, die man sich vorher gar nicht bewusst ausdenken kann.
Wie entstehen Deine Kompositionen und wo holst Du Dir Inspiration?
Ich würde dazu gerne etwas Wohlklingendes oder Romantisierendes sagen, aber die Wahrheit ist, ich weiß es nicht. Wenn ich Glück habe, kommen alle paar Monate oder auch Jahre mal 15 Minuten, in denen sich ein Stück von selbst schreibt. Meistens dann, wenn ich nichts vom Tag erwarte und eher lustlos ins Studio gehe. Und daraus entstehen oft bleibende Stücke. Nur kann ich diese 15 Minuten leider nicht automatisch abrufen. Man kann sich bis zu einem gewissen Maß durch Handwerk und Disziplin diesen Momenten annähern. Aber ich bin auf diese Magie aus und halte nichts von einem Malen nach Zahlen oder Stücken nach Baukastenprinzip.
Wie siehst Du den Faktor KI in der Musik?
KI wird in naher Zukunft bessere Musik machen als wir alle zusammen. Darüber hinaus wird sie der Plattenfirma nicht auf die Nerven gehen (lacht). Vor ein paar Jahren gab es das Phänomen des illegalen Filesharings. Damals hätte man auf die Idee kommen können, diese durch technischen Fortschritt erst ermöglichte Entwicklung zu kanalisieren, um die ökonomische Grundlage für Künstler und Komponisten zu schützen. Hat man aber nicht. Stattdessen wurde wenig später das Musikstreaming zum Allheilmittel erklärt. Tatsächlich wurde dadurch aber die Indie-Szene, also die eigentliche kreative Keimzelle der Musikwirtschaft, zerstört. Deswegen klingt jetzt alles gleich. Komponisten und Künstler unterwerfen sich dem Spotify-Algorithmus, damit ihre Musik in den Playlists auftaucht. Das kann man beklagen, aber am Ende gilt auch hier das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Ich selber habe KI auch schon oft genutzt, um Schreibblockaden zu lösen oder Ideen anzuschieben. Die gute Nachricht: Livemusik und Konzerte wird es immer geben. Vielleicht gibt es aber in Zukunft eine App, die Dich mit der Kamera filmt und passend zu Deiner Stimmung Musik für Dich komponiert. Es gibt angeblich jetzt schon Netflix-Serien, bei denen die Musik vollständig KI-generiert ist. Am Ende muss man sich fragen: Wen stört’s? Superstars wie Taylor Swift oder Beyoncé werden natürlich nicht über Nacht ersetzt werden. Aber das, was man den „musikalischen Mittelstand” nennen könnte, wird vielleicht verschwinden.
Christoph Becker
Am 12. Juli um 20.30 Uhr, Seebühne
(Fotos: Seebühne Bremen / Sascha Schröder)