Liebe – oder: Was ist das und wie wäre der Mann von Pippi Langstrumpf?

Eine Glosse über die Liebe soll hier stehen – als ob nicht schon genug darüber geschrieben und sinniert wurde. Und dann soll das Ganze auch noch amüsant, auf den Punkt und geschmeidig lesbar sein. Wie soll jemand wie ich, die zwischenmenschliche Aktionen gemeinhin lediglich mit spitzer Zunge kommentiert, über dieses „überirdische“ Gefühl schreiben, das das Leben vermeintlich erst lebenswert macht?

„Och nööö“, denke ich so bei mir, „was soll ich denn jetzt darüber schreiben? Es gibt doch wesentlich Spannenderes als diese olle Liebeskasperei – zum Beispiel, wo die nächste Urlaubsreise mit den Traveltussis hingeht.“ Aber gut, Aufgabe ist Aufgabe.

Forever? Foto: pexels/josh willink

Doch je länger ich darüber nachdenke, umso mehr beschleicht mich das Gefühl, dass es kaum ein Konzept gibt, das wir derart überfrachten wie die Liebe. Man schreibt ihr geradezu magische Kräfte zu – und das verlangen wir auch von ihr: Sie soll gleichzeitig Rausch und Ruhepol sein, Abenteuer und Alltag, Therapiezentrum, Rentenversicherung, spirituelle Erweckung und Notaufnahme für unsere Gefühlsbedürftigkeit.

Und wenn sie dann irgendwann unter dem Gewicht dieser Erwartungen zusammenbricht, sagen wir entgeistert: „Ich glaube, es war nicht die wahre Liebe.“ Manchmal habe ich den Eindruck, viele von uns behandeln die Liebe wie ein Wertpapierdepot: Sie muss sich lohnen – und zwar langfristig. „Was macht deine Liebesglosse, Regilotta Viktualia Rollgardina Rudolfsdotter Grossstrumpf?“, fragt mich eine Freundin, mächtig erheitert bei dem Gedanken darüber, dass gerade ich mich dieser Thematik widmen soll. Als eine Art erwachsene Pippi Langstrumpf sieht sie mich und meint, ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt.

Nicht immer klar, die Liebe ist kompliziert Foto: Simone Secci

Und dann kommt mir die Frage, wie denn der Mann von Pippi Langstrumpf eigentlich wäre – und damit meine ich nicht nur einen Nebencharakter aus der Villa Kunterbunt. Ich meine: wie muss jemand gestrickt sein, um mit einer wie Pippi Langstrumpf eine „ernsthafte, tiefgehende, auf Dauer angelegte“ Liebesbeziehung zu führen (wie wir sie uns ja gemeinhin immer wünschen) – nicht nur für ein paar Nachmittage oder Sommerabende mit sich anschließenden rauschenden Nächten, sondern mit Winterreifen und Steuerklasse IV? – „Die Frage kannst du nicht ernsthaft stellen“, wendet meine Freundin ein, „Pippi Langstrumpf gibt es nicht mit Mann. Die ist nicht nur eine Heldin mit Alleinstellungsmerkmal, sondern auch mit Alleinstehendmerkmal.

Schreib’ lieber über den Spruch ‘Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt’.“ – „Und dann ist es erst recht erlaubt, sich für die Pippi einen Mann auszudenken!“, sage ich und überlege weiter. Was macht der wohl beruflich? Auf jeden Fall nix, wobei er einen Anzug tragen muss – die Kleiderordnung würde Pippi sofort ändern und das wäre dann eher schlecht fürs Betriebsklima und fatal für seine weiteren Jobaussichten.

Wo die Liebe hinführt… Foto: pixabay

Ein Finanzbeamter vielleicht? Die sind in der Regel jedenfalls humorvoller, als man es ihnen zuschreibt. Aber eine wie Pippi schaut sowieso nicht danach, was ihre Liebe beruflich macht – Hauptsache, er ist lustig und spannend und 24/7 auf Augenhöhe mit ihr. Es müsste einer sein, der nicht versucht, sie zu zähmen oder zu bändigen. Einer, der Grenzen kennt, aber nicht bei Pippi zieht, sondern bei denen, die glauben, man müsse das Leben immer zwischen zwei Aktendeckel pressen können.

Wenn Pippi nachts um drei in die Küche poltert, um Pfannkuchen mit Knallbrause zu backen, dann murmelt er nur verschlafen: „Ich ess’ dann nachher auch welche mit, zum Glück haben wir noch Garantie auf den Herd“, und schläft sorglos weiter – bis ihm entweder ein köstlicher Pfannkuchenduft in die Nase zieht oder ein explosiver Knall die Nachtruhe beendet.

Pfannkuchen nachts um 3 Foto: mae mu/unsplash

Dann steht er auf, atmet erstmal tief durch und kocht ihr einen Kaffee zu den Pfannkuchen, denn er weiß: Manchmal braucht es mehr Mut dazu, loszulassen, als zu sichern. Vertrauen ist sein Betriebsmodell. Sein Kalender ist bunt, seine Nerven sind aus Samt und ab und an schreibt er Pippi kleine Gedichte auf Rückseiten von Antragsformularen. Und wenn sie wieder mal eine Schatzkarte auf einen seiner Aktendeckel kritzelt, dann lächelt er und denkt: „Ich buch’ uns jetzt mal Schatzsucherurlaub in der Südsee.“

Vielleicht ist Liebe am Ende gar nicht das große Drama, das wir mit Pauken, Posaunen und Beziehungsdiskussionen aufführen, um dann in einer lebzeitigen Ehe zu verharren. Vielleicht ist sie einfach die Entscheidung, vollumfänglich neben jemandem zu stehen, auch wenn der auf einmal auf die Idee kommt, Seifenblasen mit Senf zu füllen – in dem Wissen: Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt – außer sein Herz aufzugeben und an Dingen festzuhalten, die nur der gesellschaftlichen Konvention und den Erwartungen anderer geschuldet sind.

Foto: pexels/mart production

Pippi würde sagen: „Ich mach’ mir die Liebe, wie sie mir gefällt.“ – Und er? Der Mann an ihrer Seite: Der nimmt ihre Hand, stellt sicher, dass sie beide ihre Träume vor lauter Alltag nicht aus dem Blick verlieren – und reicht noch Pfannkuchenteig nach.

Regina Gross

Wie Sie wissen, erzähle ich hier jeden Monat Geschichten. Diese sind selbstverständlich frei erfunden und Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen rein zufällig. Sollten Sie dennoch meinen, sich hier wieder zu erkennen, zögern Sie nicht, mich anzusprechen

Hier findet Ihr die letzte Glosse!

 

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