Colette gehört zu den erfolgreichsten Schriftstellerinnen und schillerndsten Gestalten der französischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Nun widmet sich der britische Regisseur Wash Westmoreland den frühen Jahren der Kulturikone.
Nach der Hochzeit mit dem Verleger Henry Gauthier-Villars zieht Colette 1893 aus Burgund nach Paris. Henry betreibt hier einen Verlag, in dem er eine kleine Kompanie von Ghostwritern beschäftigt. Als die Schreibsklaven meutern, drängt er Colette zur Feder zu greifen und ihre Erfahrungen als Mädchen aus der Provinz im wilden Paris niederzuschreiben.
Schon der erste der Bände, die allesamt unter Henrys Pseudonym veröffentlicht werden, wird zum Riesenerfolg. Von der Kreativität berauscht, macht Colette das Spiel mit. Schließlich kann sich eine Frau im Paris der Jahrhundertwende wenig Chancen auf dem Literaturmarkt erhoffen. Zudem liebt sie Henry, der ihr eheliche Freiheiten erlaubt.
Westmoreland tut gut daran, die im Kern ausbeuterische Beziehung nicht mit klassischen Unterdrückungsklischees zu belegen, sondern deren emotionale Komplexität zu erkunden. Anfangs scheint Colette nur dem Charisma des Salonlöwen zu erliegen, aber schon bald nimmt sie sich die gleichen Freiheiten, die für ihren Ehemann selbstverständlich sind. Die Unkonventionalität verbindet das Paar und als Colette sich auf sexueller Abenteuerreise in lesbischen Affären ausprobiert, bleibt auch das zunächst im ehelichen Toleranzbereich.
Westmoreland zeichnet Colette nicht als wehrloses Opfer, sondern als junge Frau, die gerade durch die Reibungskräfte und Freiräume in der Beziehung reift und über diese hinaus wächst. Knightley und West bringen die Lebensfreude, Streitlust, aber auch die aufreißenden Gräben mit Charisma auf die Leinwand. In der filmischen Auflösung klebt Westmoreland jedoch zu sehr an den Genrevorschriften des Kostümfilms und wird mit seiner braven Erzählweise und einem allzu engen biografischen Zeitfenster der unkonventionellen Lebensführung seiner Heldin nicht gerecht.
Martin Schwickert
Drama, Biografie, USA, GBR 2018, R.: Wash Westmoreland, D.: Keira Knightley, Dominic West, Eleanor Tomlinson, Filml.: 111 Min.