Eine tragische Geschichte derer, die nichts haben. Das Drama von Gerhart Hauptmann, in dem der Traum vom Glück scheitert durch Armut, Promiskuität und Unglückseligkeiten.

Ein Jahrhundert nach der Uraufführung in Berlin wird die Tragikomödie ‘Die Ratten’ jetzt in Bremen dargestellt. Das Stück spielt in einer heruntergekommenen von Ratten verseuchten ehemaligen Kavalleriekaserne in Berlin um 1886. Gina Haller spielt das polnische Mädchen Pauline Piperkarcka, eine arme Seele die im Leben nichts besitzt. Nadine Geyersbach spielt Jette John, die glücklich verheiratete Putzfrau die sich, im Gegenteil zu Pauline, keine Sorgen ums Geld machen muss.

Das Stück beginnt im Dachgeschoss der Mietskaserne, wo der ehemalige Theaterdirektor Hassenreuter (Guido Gallmann) seinen Theaterfundus untergebracht hat und damit einen Kostümverleih betreibt. Die Enddreißigerin Jette John sorgt im Chaos der Requisiten leidlich für Ordnung und Sauberkeit. Hier trifft sie sich mit dem schwangeren Dienstmädchen Pauline. Vom Vater des Kindes verlassen, will diese sich in ihrer Verzweiflung töten. Frau John, die ihr eigenes Kind Adelbert im Alter von acht Tagen an Bräune (Diphtherie) verloren hat, bietet Pauline Geld für ihr ungeborenes Kind und will es als ihr eigenes aufziehen. Doch das Ganze läuft nicht nach Plan, denn Pauline bereut ihre Entscheidung und will ihr Kind nicht aufgeben.

Jette John kämpft, setzt ihren kleinkriminellen Bruder auf Pauline an, riskiert die Liebe ihres Mannes und das Wohl eines Kindes. Während sich in der Wohnung der Johns eine echte Tragödie abspielt, gönnt man es sich im Obergeschoss, über Authentizität und Wahrheit in der Kunst zu debattieren. Dort nämlich hat Direktor Hassenreuter seine Schauspielschule eingerichtet. Gerhart Hauptmann packt die ganze Welt in ein Mietshaus. Das Drama derer, die nichts haben, setzt er ins Verhältnis zur Dramatik der Besitzenden und dekonstruiert den Traum vom Glück, das man kaufen kann.

‘Die Ratten’ ist ein Drama des Naturalismus und Gerhart Hauptmanns meist gespieltes Stück. Leitmotiv sind die titelgebenden Ratten, die einerseits die Armut und die verwahrloste Baufälligkeit der Mietskasernen symbolisieren, andererseits den Verfall der Sitten und die Unterminierung von Politik und Kultur. Als scharfer Kritiker des Kaiserreichs und der Bourgeoisie arbeitet Hauptmann den Gegensatz heraus zwischen den unteren sozialen Schichten mit Problemen wie Armut, Krankheit oder ungewollter Schwangerschaft und dem Bürgertum mit seinen ästhetisch überhöhten Ansprüchen. Regisseurin Alize Zandwijk und das Theater Ensemble bieten Bremen ihre eigene Inszenierung dieser Tragödie.

Premiere am 10. März um 19.30 Uhr, Theater Bremen, Goetheplatz

Vorheriger ArtikelDieter Thomas Kuhn
Nächster ArtikelLa Bottega