‘Die Unendlichkeit’ ist das nunmehr zwölfte Album von Tocotronic. Wir haben uns mit Jan Müller über die Band, das neue autobiografische Album und Hip Hop unterhalten.

BREMER: Wie kommt es, dass ihr eure Tour in Bremen startet?
Jan Müller: Das hat erstmal geografische Gründe. Bremen ist schön nah an Hamburg, wo unser ganzes Equipment steht und von wo wir die Tour starten. Wir kommen zum Teil aus Berlin und aus Hamburg. Über die Jahre hat es sich tatsächlich so entwickelt, dass wir in Bremen starten.

Basiert das neue Album auf euer aller Biografien?
Es basiert auf Dirks Biografie. Als sich die Albumidee herauskristallisierte, hatten wir jedoch einen Moment, an dem wir dachten: „Wie ist es, als Band ein Album zu machen in dem nur die Biografie des Sängers vertont wird?“ Wir fanden es dann aber relativ schnell sehr reizvoll. Naja, und zudem war es von Dirk auch sehr mutig, denn auf dem neuen Album geht es schon ans Eingemachte.

Hat demnach auch Dirk die Texte geschrieben?
Ja. Aber Dirk schreibt eigentlich immer unsere Songs und wir bearbeiten diese dann im Anschluss zusammen.

Also habt ihr schon eine klare Aufgabenverteilung?
Ja, auf jeden Fall. Über die Jahre ergibt sich das schon so, dass jeder seinen Bereich hat. Es ist definfitv großes Glück, dass wir uns durch einen Zufall gefunden haben und nun seit 25 Jahren zusammen harmonieren. Mir ist klar, dass das nicht selbstverständlich ist und ganz ehrlich – es erfordert auf jeden Fall auch Arbeit von allen Beteiligten. Mittlerweile kennen wir uns so gut, dass man genau über die Stärken und Verletzlichkeiten des Anderen Bescheid weiß und demnach natürlich auch gut aufeinander Rücksicht nehmen kann.

In eurem Video zur Vorab-Single ‘Hey du‘ spielt das Fremdsein in einer Gesellschaft eine große Rolle. Basiert das auch auf eigenen Erfahrungen?
Als Dirk uns ‘Hey Du‘ zum ersten Mal vorspielte, waren wir gerade alle bei ihm zu Hause zum Kaffee. Wir haben uns dem Song schnell sehr verbunden gefühlt und obwohl wir alle an ganz unterschiedlichen Orten aufwuchsen, kannten wir es trotzdem alle, dass man aufgrund von Äußerlichkeiten bedroht wird. Wir fanden es zudem sehr interessant, dass sich das heutzutage so auf Fremdenfeindlichkeit übertragen lässt. Leider.

‘Hey du‘ war der erste Teil einer Musikvideo-Reihe, Teil zwei wurde zum Song ‚Die Unendlichkeit‘ gedreht und Teil drei erschien zur neuesten Auskopplung ‚Electric Guitar‘. Was können wir da noch erwarten?
Es ist eine Tetralogie geplant. Wie schon bei den ersten beiden Musikvideos führte bei ‚Electric Guitar‘ Maximilian Wiedenhofer Regie. Wir fanden das besonders spannend, da sich dieser Zusammenhang im Album durch das Autobiografische nun auch in den Videos widerspiegelt.

Ganz entgegen seiner Biografie hat Dirk im Dezember beim Bayrischen Rundfunk aktuelle Rap-Texte von Künstlern wie RIN und 187 Straßenbande in eurem Stil vorgetragen. Wie gefiel dir das?
Naja, ich muss sagen, dass mir die Musik an sich nicht so sehr zusagt. Aber ich fand die Texte wurden sehr schön und auch interessanter durch den neuen Zusammenhang und Dirks Vortrag.

Werdet ihr manchmal von Rap inspiriert oder ist das eine Parallelwelt, mit der ihr euch gar nicht beschäftigt?
Ganz so streng würde ich das nicht sehen. Erstmal würde ich sagen, dass Rapmusik gerade sehr viel populärer ist als Rockmusik – und das meiner Meinung nach auch mit einer gewissen Berechtigung.

Inwiefern findest du den Erfolg von Rap berechtigt?
Rap, so wie er produziert wird, entspricht oft dem gegenwärtigen Stand technischer Möglichkeiten und klingt demnach sehr modern. Rockmusik, auch wie wir sie machen, bedient sich hingegen eines Equipments, welches schon 70 Jahre existiert. Es ist definitiv eine Herausforderung, Rockmusik so zu machen, dass sie auch noch gegenwärtig ist. Kendrick Lamar oder Tylor The Creator sprechen mich beispielsweise sehr an, die finde ich interessant und avantgardistisch. Aber auch deutschsprachige Sachen wie Hayiti finde ich sehr interessant. Endlich mal eine Frau im Genre, die Erfolg erfährt. Was mir aber seit je her an Rap und Hip Hop fremd ist, ist diese Angeberei. Also ich kann es gut verstehen, wenn es Gangs in L.A. machen. Aber wenn das Leute aus der eigenen Nachbarschaft machen, fand ich das schon immer ein bisschen unglaubwürdig. Das Sexistische und Machistische, also all das, was für viele Künstler dazu gehört, finde ich einfach nur langweilig. Trettmann gefällt mir da sehr gut. Seine Musik lässt Raum für eine melancholische Note, ohne eben in kompletten Kitsch zu verfallen – trotz des Namens des Produzenten (lacht).

Was hörst du gerade für Musik?
Also, ich höre Musik in allen Bereichen. Im Moment mag ich das Werk von Courtney Barnett & Kurt Vile ‘Over Everything’, Perc & Fractal mit ‘Up’ oder Andreas Doraus ‘Liebe in Dosen‘. Zu meinen Top 5 gehören aber auch ältere Sachen wie die Poison Girls oder Sister Double Happiness.

Mit wem würdest du gern mal ein Feature machen?
Mit Marian Gold, das war der Sänger von Alphaville. Seinerzeit war das für mich eine der besten Pop Bands.

Am 6.März um 20 Uhr im Schlachthof

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