Weil ein Mindestabstand von 1,5 Metern zum Kunden nicht eingehalten werden kann, wurde Friseuren in Bremen und in allen anderen Bundesländern durch Rechtsverordnungen ihre Tätigkeit untersagt. Doch was tun mit den Haaren?

Ausgerechnet in der Woche, in der die Geschäftswelt durch den Shutdown lahmgelegt wurde, hätte ich einen Friseur-Termin gehabt. Meine Lieblingsfriseurin Chantal sollte mir wieder frische blonde Frühlingssträhnen in meine ansonsten ‘straßenköterfarbenen’ Haare zaubern. Ich war über die plötzliche Schließung alles andere als amüsiert – kein netter Plausch über anstehende Urlaubspläne, kein Prosecco, kein Konvolut an Klatsch­zeitungen, die mich in der Welt der Stars wieder auf den Laufenden gebracht hätten – und vor allem: keine frischen blonden Strähnen!
„Du, das is gar kein Problem, das kann ich auch!“, sagte mein Freund, der versuchte, mich aus meinem Frisuren-Tief rauszuholen. Ich äußerte direkt meine Zweifel und fragte ihn, warum sein Beruf als Journalist und Fotograf für ihn auch gleichzeitig eine Referenz als Friseur sei. „Ach, so schwierig kann das nicht sein, da hab ich ein Auge für“, erwiderte er, „besorg nur die Farbe, den Rest mach ich!“
Was genau im Endeffekt tatsächlich dazu führte, dass ich mich schließlich im Drogeriemarkt meines Vertrauens im Regal mit den Haarfarben zum Selberfärben wiederfand, erinnere ich nicht mehr – im Endeffekt wird es eine Mischung aus der meinem Freund innewohnenden Überzeugungskraft und meiner schieren Verzweiflung gewesen sein.
Das Angebot an Blondtönen unterschied­lichs­ter Art war überwältigend – ich entschied mich für ‘Nordisch Blond’ und kaufte noch Alufolie für die Strähnen, einen Pinsel und eine Flasche Prosecco dazu – damit wenigs­tens ein bisschen Friseur-Stimmung daheim aufkommt.

Nachdem ich zuhause dann gute 50 Blätter Alufolie zurechtgeschnitten und meinem ‘Hobby-Friseur’ erklärt hatte, wie Chantal jede einzelne Strähne erst mit Farbe einpinselt und dann sorgsam in Alufolie wickelt, lehnte ich mich mit meinem Gläschen Prosecco zurück und überließ ihm das Geschehen. „Wart’s nur ab“, sagte er begeistert, „du wirst aussehen wie Marilyn!“ Bevor ich mir Gedanken darüber machen konnte, wie er das jetzt genau meinte, legte er mit Farbe, Pinsel und Folie auch schon los. Die Strähnen in Folie einzuwickeln, bereitete ihm allerdings fühlbar Schwierigkeiten – wie ein Wilder zerrte und ziepte er an meinen Haaren.
„Du, ganz ehrlich, das mit den Folien is völlig überbewertet“, sagte er schließlich, „Strähnen krieg ich auch ohne Folien hin.“ Weil mir von dem Gezerre schon der Kopf weh tat, willigte ich ein, was ich wohl besser nicht gemacht hätte, denn irgendwann fing er an, mir mit der gesamten Farbe die Haare zu ‘shampoonieren’. „Du hast noch im Kopf, dass du mir Strähnen färben willst und ich nicht zur Komplett-Blondine mutieren will?“, fragte ich ihn, woraufhin erst einmal ein langes Schweigen folgte, was ich von ihm bislang noch nicht kannte. „Jaja“, erwiderte er schließlich ein wenig gestresst, „ich weiß, aber da ist so viel Farbe in der Packung, dass ich gar nicht weiß, wohin mit der ganzen Masse…aber ich glaube, ich bin gleich fertig, warte kurz, ich wickel dir kurz noch den kompletten Kopf mit Alufolie ein, damit beim Einziehen nichts runtertropft, ok?“ Als ich aufstand und einen kurzen Blick in den Spiegel warf, sah ich nur meinen von Alufolie umwickelten Kopf.

Eine Stunde später, nachdem ich die Farbe rausgewaschen hatte und wieder in den Spiegel schaute, bekam ich den Schock meines Lebens – blonde Strähnen waren weit und breit nicht zu sehen, stattdessen leuchtete mir ein knallig-oranger Haarschopf entgegen. ‘Nordisch Blond’ war DAS nicht! Mein selbsternannter Meisterfriseur musste kleinlaut eingestehen, dass auch er sich das Ergebnis anders vorgestellt hatte.
Was tun? Auch wenn die Straßen zur Zeit eher menschenleer wirken, war klar, dass ich so definitiv nicht rausgehen konnte. Zum Glück gibt es das Internet, in dem man diverse Tipps findet, wie der Orange-Stich aus selbstgefärbten Haaren wieder entfernt wird – Backpulver mit Wasser in die Haare massieren, rieten die einen, die Frisur mit einer Mischung aus Zitrone und Olivenöl shampoonieren, empfahlen die anderen, lilafarbenes Silber­shampoo war ein weiterer Tipp. Wir machten alles – hintereinander. Resultat war ein etwas blasseres, aber immer noch deutliches Orange.
Ich war verzweifelt – mein Freund auch. Weil ich mich nicht wochenlang heulend in eine ‘Frisuren-Quarantäne’ begeben wollte, taten wir schließlich etwas, wovon in jedem Beipackzettel von Haarfärbemitteln dringend abgeraten wird, weil die Haare dadurch starken Schaden nehmen können – direkt am nächsten Tag färbten wir neu, denn schlimmer als jetzt konnte es sowieso nicht mehr werden, davon waren wir beide überzeugt.

Diesmal entschied ich mich für ‘Platin-Aschblond’ und mein Freund musste wieder ran. Diesmal war er nicht so euphorisch am Werk wie am Vortag – unser beider Stimmung war gedämpft, Prosecco gab es auch keinen mehr.
Als ich mir die Farbe aus den Haaren wusch, griff ich wieder zum Silbershampoo und konnte mich danach nicht überwinden, in den Spiegel zu schauen.
„Blond – du bist blond“, rief mein Freund, „wie Marilyn, ich hab’s dir doch gesagt, dass ich das kann!“ Tatsächlich – das Orange war einem schönen Blondton gewichen – Strähnen habe ich zwar nicht bekommen, aber wen stört das schon, wenn man neues Mitglied im Club der Blondinen geworden ist…

Selbst mein durchaus kritischer Freundeskreis äußerte sich voller Lob und Begeisterung über meine neue Haarfarbe. „Blondes have more fun!“ – den Spruch verstehe ich mittlerweile gut. Trotzdem werde ich Chantal treu bleiben und mich nach dieser Krise wieder vertrauensvoll in ihre professionellen Hände begeben.

Regina Gross
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