Wuff! – oder: Ich wollt’ ich wär mein Dackel

Haben Sie mal drüber nachgedacht, wer Sie gern sein wollten, wenn Sie jetzt nicht Sie wären? Angela Merkel vielleicht? Dann könnten Sie sich jeden Morgen beim Frühstück gemütlich zurücklehnen, die Hände zur Raute falten und denken:„So, jetzt habe ich 16 Jahre ein Land regiert, dann drei Jahre Pause gemacht, mach‘ ich heute wieder Pause oder schreib‘ ich mal zur Abwechslung ein Buch?“ Oder wie wär’s mit Olaf Scholz?

Hmmm, also – nee, das wäre mir persönlich ja zu stressig – Cum-Ex-Skandal, Klimakrise, Wirtschaftskrise, Ukraine-Krieg, Israel-Gaza-Krieg und jetzt auch noch Rechtsradikale auf Sylt – nur Probleme, die es zu lösen gibt und alle anderen wissen es sowieso immer besser – da kann man ja nur verlieren.

Weimaraner
Weimaraner

Wenn ich so richtig drüber nachdenke, dann wäre ich gern mein Dackel. Seit diese Hundedame vor zwei Jahren an einem sonnigen Sonntag im Mai bei uns einzog, ist sie Chef – von morgens bis abends und nachts auch. Mein Weimaraner Clinton, der eigentlich der Grund für die Anschaffung eines Zweithundes war (er sollte einen ‚Companion‘ bekommen), begriff es als erster. Die Herrschaft übernahm sie in dem Moment, als sie unser Haus betrat, das bis zu diesem Zeitpunkt unangefochtenes Revier von Clinton war.

Hoch erhobenen Hauptes und mit noch höher stehender, wedelnder Rute schaute Dackeldame Nana sich zunächst ausgiebig um, bis sie mit zielstrebigem Blick das Sofa als ihren neuen Thron erkor und mit einem Satz darauf Platz nahm. Clinton, der sich zu ihr gesellen wollte, knurrte sie kurzerhand weg. Der zog den Schwanz ein und tollte sich einstweilen.

Ein paar Minuten später sprang sie wieder vom Sofa herunter, stellte sich in Preisboxer-Pose vor den Weimaraner und tänzelte provozierend vor ihm herum. Als der nicht sofort reagierte, bellte sie kurz auf und lief Vollgas in den Garten – das verstand er dann und die beiden spielten erstmal eine Runde Fangen – und zwar exakt so lange, wie der Dackel Lust dazu hatte. Daraufhin schnüffelte sie den Rasen ab, fand einen Knochen, der eigentlich Clinton gehörte und nahm ihn fortan in Alleinbesitz.

Dackel
Dackel

Wenn dieser Dackel der Ansicht ist, er müsse sich mal die Gegend anschauen, dann tut er das – und zwar sehr gern ohne uns – irgendein Schlupfloch im Garten findet er immer und wenn nicht, dann wird gebuddelt – die Folge sind stundenlange Suchaktionen unsererseits mit Vermisstenmeldungen bei der Polizei und den sozialen Netzwerken.

Bislang gestaltete sich das Wiedersehen immer so, dass Dackeldame Nana uns schwanzwedelnd irgendwo über den Weg lief, uns kurz ansprang und bellte, als wollte sie sagen: „Da seid ihr ja endlich, hat aber ziemlich lange gedauert, bis ihr hierhergekommen seid, was habt ihr bloß die ganze Zeit gemacht?“ Ein schlechtes Gewissen kennt dieser Hund nicht – selbst dann nicht, wenn sie wieder mal meine Pumps mit ihren Zähnen in Peeptoes verwandelt hat.

Da wird der klassische Dackelblick aufgesetzt, mit dem Dackeldame Nana mir sagt: „Schau dir die Schuhe doch mal ganz genau an – sie sehen jetzt viel besser aus als vorher“, und dann springt sie, als ob nichts gewesen wäre, auf die Fensterbank, um zu überprüfen, ob das olle Eichhörnchen, das ihr immer mächtig auf die Nüsse geht, wieder mal unerlaubterweise in ihr Revier eingedrungen ist.

„Wuff!“ - oder: Ich wollt’ ich wär mein Dackel.
„Wuff!“ – oder: Ich wollt’ ich wär mein Dackel.

Danach dreht sie sich auf den Rücken, streckt alle Pfoten von sich und hält ein ausgedehntes Nickerchen. Wenn sie damit fertig ist, kommt sie schwanzwedelnd zu mir ins Büro, stupst mich mit Nase und Pfote an und sagt: „Es ist Zeit für Leckerlis.“

Wenn Nana mit mir unterwegs ist und Passanten entzückt ausrufen: „Ooooh, SO ein schöner Dackel!“, dann setzt sie sich wohlmeinend vor diese hin, lässt sich ausgiebig streicheln und guckt mich dann über die Schulter mit diesem ihr eigenen Blick an, der mir sagt: „Siehste – ich habe auf dieser Welt nur Fans, also sei bloß lieb zu mir und gib mir noch mehr Leckerlis, denn sonst ziehe ich um!“ Hach – diese Selbstverständlichkeit, mit der meinem Dackel die Welt gehört, ist einzigartig.

Dackel müsste man sein! Wuff!

Regina Gross

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