Das Bremer Trio sorgte bereits 2022 mit seinem ersten Album ‘All Work & No Play’ und vor allem mit den spektakulären Liveshows für Aufsehen. Nun starten ‘Laturb’ mit ihrem Zweitling ‘Nie Wieder Frieden’ durch und spielen am 3. Oktober eine Record Release Show im Lagerhaus mit der Berliner Band ‘Vorsicht Kinder’. Der BREMER hat mit Anne (Gesang/Gitarre) und Tim (Synths & Sounds) von Laturb über die neue Scheibe und mehr gesprochen.
Laturb im Interview:
BREMER: Wie würdet Ihr ‚Laturb‘ jemandem, der oder die euch nicht kennt, beschreiben?
Anne: Als eine große Wundertüte und eine emotionale Achterbahnfahrt. Musikalisch eine Mischung aus Synthpop, New Wave und Future Punk. Vor allem die Livekonzerte lohnen sich, weil wir da viel Performance machen.
Euer erstes Album ‚All Work & No Play‘ (2022) war hauptsächlich auf Englisch. Auf ‘Nie Wieder Frieden’ singt ihr fast komplett auf Deutsch. Der Sound ist auch poppiger und eingängiger. Wie kam es zu der Entscheidung?
Tim: Wir hatten für das erste Album, das gefühlt eher so ‘ne Art Dark Pop war, schon deutschsprachige Songs wie ‘Sinnkrise’, die mehr in Richtung NDW gingen und nicht so richtig dazu passten. Da entstand schon der Plan, beim nächsten Album mehr auf die Kacke zu hauen und ausschließlich auf Deutsch zu singen.
Wie entstehen eure Songs? Gibt es zuerst Text und dann Musik?
Anne: Das kann man gar nicht so genau sagen. Wir treffen uns meistens in unserem Proberaum im Wendland in einem ehemaligen Schweinestall und jammen erstmal. Daraus entsteht sehr viel und der nächste Schritt ist dann, das in eine Form zu bringen.
Tim: Oft entstehen aus einer musikalischen Stimmung Textfragmente. Beim ‘Pizzasong’ vom neuen Album zum Beispiel war das so ein Comedy-Moment. Ich hatte einen Synthie-Sound, der mir gefallen hat, und Cordel hat sich dazu in eine theatralische Pose geworfen und über Tiefkühlpizza fantasiert. Plötzlich haben wir festgestellt, das hat auch etwas sehr Berührendes, wenn man dabei an sowas wie Fressflash und Kompensationsessen denkt. Das haben wir dann ausgestaltet. Meistens gibt es einen Sound, der eine Atmosphäre schafft. Die denken wir dann weiter.
Ihr behandelt in euren Texten antikapitalistische und gesellschaftskritische Themen in oft sehr verspielter Form. Gleichzeitig sind eure Songs total eingängig und tanzbar. Was ist wichtiger? Message oder Tanzbarkeit?
Anne: Das geht meistens beides zusammen, passiert aber nicht bewusst. Wir sind uns der Begrenztheit von Kunst, was die Vermittlung politischer Inhalte angeht, durchaus bewusst. Ein Songtext gibt nie eine komplette Erklärung für etwas her. Klar kann man sich eine Message rausziehen, aber die fällt von Person zu Person eben auch oft völlig unterschiedlich aus. Relevanter und spannender finde ich es daher, wenn die Leute nach dem Konzert zum Merch-Tisch kommen und fragen, wie habt ihr das gemeint, und man diskutiert darüber. Wir lassen die Leute gerne über etwas stolpern in Texten, bei denen einem auch mal das Lachen im Halse stecken bleiben kann.
Tim: Uns ist es wichtig, über Dinge zu singen, die uns bewegen. Wir wollen nicht eine weitere Band sein, die ausschließlich Beziehungsebenen verhandelt. Das kommt sicherlich auch vor. Aber interessanter ist für uns, wie das mit der kapitalistischen Welt zusammenhängt, in der sich diese und jene Abgründe auftun. Dem begegnen wir mit einer gewissen Leichtigkeit und definitiv auch Galgenhumor.
Euer neues Album heißt ‘Nie Wieder Frieden’ nach dem Refrain vom letzten Song ‘Antination’. Wie ist das gemeint?
Anne: Das hat verschiedene Ebenen. Einmal als Feststellung, dass es zwischen kapitalistischen Staaten dauerhaft keinen Frieden geben kann, denn in ihrer Friedensordnung ist Krieg als Option immer mit angelegt. Jeder Staat hält sich ja auch in Friedenszeiten ein Militär. Wenn ein Staat den Krieg gewinnt, kommt ein Frieden dabei heraus, aber was ist das für einer? Das lohnt es sich mal genauer anzuschauen. Zweitens als Forderung: Nie wieder Frieden! Schließlich basiert diese Friedensordnung auf jeder Menge Gewalt und Ausbeutung. Weiter als Einstellung, dass man seinen Frieden nicht mit diesen Verhältnissen machen will. Und dann eine weitere Ebene des inneren Friedens. Dass alle ständig unter Leistungsdruck stehen und selbst Hobbys (ein Song des Albums, Anm. der Redaktion) zu Arbeit werden.
Bei euren Liveauftritten steht Ihr nicht einfach bloß rum, sondern habt neben akrobatischen Tanzeinlagen auch viele bunte und oft absurde Showelemente. Ging diese Performance-Art mit der Musik von Anfang an Hand in Hand?
Anne: Ich komme ja eher aus dem Zirkus-Performance-Kontext und nicht ursprünglich aus der Musik. Für mich hat deswegen auf der Bühne stehen ganz viel damit zu tun. Insofern war das für mich von vornherein mit dabei.
Tim: Wir haben uns ja auch in einem Varieté-Kontext kennengelernt. Ich habe dort mit Cordel in der Band gespielt und wir haben artistische Nummern musikalisch begleitet und fanden diese Mischung spannend.
Und könnt Ihr schon verraten, auf was sich das Publikum bei der Record Release Show im Lagerhaus gefasst machen kann?
Tim: Wir haben natürlich auch Show-Elemente geplant, aber die werden nicht verraten. Als Support haben wir eine ganz tolle Band, ‘Vorsicht Kinder’, aus Berlin dabei. Ein FLINTA*-Quartett, das No Shave, Alkopop und Prost Punk macht, was ich als Genrebezeichnung ganz herrlich finde.
Gibt es schon Pläne für die Zukunft nach der kommenden Tour?
Anne: Wir planen auf jeden Fall, wieder Musik zu produzieren. Im Frühjahr wollen wir nach Italien auf einen Musikhof von Freund:innen von uns, wo wir schon die Songs für das erste Album geschrieben haben.
Tim: Also ich dachte, jetzt ist erstmal in die Hängematte legen angesagt und warten, dass sich der große internationale Erfolg einstellt. Wenn der dann da ist und sich der Geldsegen einstellt, kommen wir wieder heraus. Das wäre meine Idee dazu.
Christoph Becker
Am 3. Oktober um 20 Uhr, Lagerhaus
Synth Pop/Future Punk Laturb Nie Wieder Frieden Fuego
Auf seinem zweiten Album bringt das Bremer Trio mehr Pop, mehr (Elektro) Punk, mehr Soul, mehr NDW. Die Texte sind diesmal komplett auf Deutsch. Und jeder Song ist ein Hit. Vom Einstiegsbanger ‘Hobbys’ über das die Lethargie angesichts der Zustände behandelde ‘Selenium’ zum eigentümlich berührenden ‘Pizzasong’. Inhaltlich setzen die Lyrics dabei auf eine spielerische Auseinandersetzung mit der Konsumgesellschaft und dem Kapitalismus. Da stolpert man über absurde Sprachbilder, bei denen einem das Lachen auch mal im Halse stecken bleibt. Hooks und Widerhaken gehen textlich Hand in Hand. ‘Antination’ benennt die Dinge zum Abschluss dann deutlich mit dem titelgebenden Refrain ‘Nie Wieder Frieden’. Der einzige Farbtupfer bleibt im Song das Werfen von Gummibärchen aus dem 12. Stock der Plattenbausiedlung. Ein bunter Hoffnungsschimmer ist auch diese Platte, die in ihrer anteckenden Tanzbarkeit gleichsam zum Nachdenken anregt.
Christoph Becker
4 Sterne
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