Vor kurzem riss mich eine SMS aus dem Schlaf, die ich morgens um 5.15 Uhr von meinem Sohn erhielt, einer Tageszeit, zu der mein Körper seine Betriebstemperatur noch nicht erreicht hat. In dieser Nachricht hieß es, er habe ein neues Smartphone und den Telefonanbieter gewechselt und ich solle ihm eine Nachricht auf Whatsapp schicken.

Abzocke
Abzocke

Der Zeitpunkt der Nachricht ließ mich noch nicht aufmerken, zumal Filius, der seit einem Jahr 500 Kilometer weiter weg wohnt, mittlerweile ausbildungsbedingt sehr viel früher aufstehen muss als ich. Auch war ihm vor einem halben Jahr sein Smartphone unterwegs einmal geklaut worden, so dass mir die Prozedur mit einem neuen Mobiltelefon auch nicht unbekannt vorkam. Was mich ein wenig stutzen ließ, war die Formulierung seiner Nachricht, die erkennen ließ, dass er sowohl seine Rechtschreibfähigkeiten als auch die Gabe, einen grammatikalisch einwandfrei formulierten Satz zu schreiben, offenbar zusammen mit seiner Telefonnummer verloren hatte – er textete nämlich: „Gm mama ich habe den Anbieter und Handy gewechselt. Das ist meine neuen Nummerr. Schick eine Nachricht unterr Whatsapp.“

Ich tat also wie geheißen, schlaftrunken wie ich war. Dann teilte er mir mit, dass ich seine alte Nummer löschen könne, er alle seine Kontakte und Fotos verloren habe und bat mich, ihm Fotos von ihm für sein Profilbild zuzuschicken.

Was??? Dies war der Punkt, an dem ich schlagartig wach wurde, denn Filius hatte bis dato noch nie ein Foto von sich selbst als Profilbild genutzt. Außerdem lösche ich per se schonmal grad gar nix, was mein Sohn ebenfalls weiß – sogar die Nummer meiner vor 25 Jahren verstorbenen Großtante habe ich noch und alle zwölf Handynummern, die mein bester Freund bislang hatte, seit er ein Handy hat – man weiß ja nie, wann man die nochmal brauchen kann. Ich rief also meinen Sohn unter der neuen Nummer über Whatsapp an. Er antwortete nicht. Stattdessen kam eine neue Nachricht, dass er die SIM-Karte erst am Nachmittag freischalten könne und noch keine Anrufe tätigen könne. Jetzt erst wurde mir klar, dass mich da jemand für völlig blöd verkaufen wollte – Telefonate sind schließlich auch über den Messengerdienst Whatsapp möglich, über den wir gerade kommunizierten. „Ok“, schrieb ich, „alles weitere dann heute Nachmittag“, während ich parallel die Worte „ich habe eine neue Nummer“ googelte. Was ich dann las, löste bei mir direkt Schnapp­atmung aus: „Moderne Betrugsmasche per SMS und Whatsapp“, hieß es dort – nach der Mitteilung des vermeintlich eigenen Kindes, dass es eine neue Nummer und ein neues Handy habe, folge eine zunächst belanglose Konversation und dann die Bitte, einen hohen Geldbetrag auf ein fremdes Konto zu überweisen, weil das Kind in Not geraten sei. Hierbei bedienen sich die Betrüger sogenannter ‘Geldesel’, Menschen, die sie auf Social Media anwerben, die dann ihr Konto für den Geldeingang zur Verfügung stellen und die dort eingezahlten Beträge abzüglich einer kleinen Provision an die Konten der Betrüger weiterleiten.

Ich war auf Schaum.

Na warte, dachte ich, wir werden jetzt mal richtig Spaß haben. Mein vermeintlicher Sohn hatte zwischenzeitlich schon auf meine Nachricht, dass wir nachmittags weiterreden, geantwortet. „Bist du beschäftigt“, schrieb er und „ich brauche wirrklich die Fottos“. „Ok, welche willst Du denn, die mit Horst?“ Weder Filius noch ich kennen einen Horst, geschweige denn besitze ich Fotos von ihm mit einem Horst auf meinem Smartphone. „Ja, schikk einfach alle“, hieß es dann sofort.

Jetzt lief ich zur Hochform auf. „Duhu“, schrieb ich „das ist mir jetzt zwar furchtbar unangenehm, aber Deine Mutti ist total abgebrannt. Kannst Du mir Geld schicken? Also nur geliehen, Du hast Dir ja gerade ein neues Handy gekauft, also hast Du ja Geld. Ich brauche 3.000 Euro. Kannst Du mir die schicken? Kriegst Du nächsten Monat wieder zurück, versprochen!“

Es passierte: NIX. Keine Antwort mehr. „Hallo? Was soll das denn jetzt?“, setzte ich nochmal nach. „Ich bin schließlich Deine Mutter. Da kannst Du doch ein bisschen Geld für mich locker machen. Warum schreibst Du jetzt nichts mehr? 2.000 gehen auch für den Anfang.“ Wieder keine Reaktion vom vermeintlichen Kind. Da ich ja mittlerweile herausgefunden hatte, dass mein Kommunikations-Gegenüber nicht mein Sohn war, sondern ein Betrüger, sperrte ich die Rufnummer und den Whatsapp-Chat, stand auf und kochte mir erstmal meinen morgendlichen Kaffee. Wer allerdings richtig grantig reagierte, als ich ihm den Chat, den ich vorher abgespeichert hatte, rüberschickte, war mein Sohn: „Mama, bitte, lass sowas sein. Hätte ich mein Handy verloren, hätte ich Dir über mein Diensthandy Bescheid gegeben. Außerdem kann dieser Spinner ja keinen Satz richtig formulieren. Dass ich nicht so schreibe, hätte Dir direkt auffallen müssen. Antworte niemals jemandem, der „Nummer“ mit zwei R schreibt.

In diesem Sinne: bleiben Sie wachsam und lassen Sie sich nicht über den Tisch ziehen – erst recht nicht morgens um viertel nach fünf!

Regina Gross

(Foto: PIXABAY)

 

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