Die Band ‚The Hirsch Effekt‚ aus Hannover bewegt sich auch auf ihrem sechsten Album ‚Urian‘ gekonnt zwischen den Extremen und verbindet metallische Raserei und progressive Frickelei mit berührenden deutschen Texten und eingängigen Melodien. Der BREMER hat mit Sänger und Gitarrist Nils Wittrock (mittig im Bild) über die Herangehensweise der Musiker und die anstehende Tour gesprochen.

The Hirsch Effekt
The Hirsch Effekt

BREMER: Eure Musik ist sehr komplex und extrem. Aber es finden sich auch immer wieder melodiöse Elemente, wie zuletzt im Stück ‚Stegodon‘. Habt Ihr mal überlegt, noch mehr in diese Richtung zu gehen und ein reines Pop-Album zu machen?

Nils: Die Überlegung gab es schon. Oder ein Doppelalbum und eine Hälfte laut und eine Hälfte leise zu machen. Gleichzeitig finde ich, dass es uns auf ‚Urian‘ eben sehr gut gelungen ist, diese beiden Seiten auf ein und demselben Album miteinander zu verbinden. Vielleicht wirkt ein Song wie ‚Stegodon‘ grad deshalb so stark, weil er zwischen diesem Gewitter positioniert ist. Und ich glaube es ist eben genau diese Dynamik, die The Hirsch Effekt ausmacht und die auch unsere Konzerte besonders machen.

Gibt es beim Komponieren überhaupt solche Gedanken wie „Das ist jetzt zu hart, zu frickelig“ oder „zu soft, zu poppig“?
Tatsächlich versuchen wir uns von genau diesen Gedanken frei zu machen. Es stört uns nicht, wenn etwas „soft“ oder eben emotional bzw. „hart“ oder nennen wir es ruhig klischeehaft „metalig“ ist. Wir tragen ja als Personen auch beide Seiten in uns und zeigen die auch auf der Bühne. Und wir sind auch musikalisch so sozialisiert: Mit Simon und Garfunkel ebenso wie mit System of a Down.

Eure Songtitel geben immer wieder Rätsel auf und führen einen, wenn man nachforscht, oft zu komplexen wissenschaftlichen Themen und erzeugen nochmal eine andere Ebene. Wie wichtig ist es euch, dass eure Hörer:innen alles entschlüsseln oder wollt Ihr das überhaupt?
Es ist schon gewollt, dass die Songtitel Rätsel aufgeben und zum Nachforschen anregen. Wir wissen aber auch, dass viele Hörende sich die Titel gar nicht merken können oder wollen und dementsprechend auch keine Lust haben, sich mit ihnen tiefer auseinander zu setzen. Das ist in Ordnung. Es ist eher ein kleines Gimmick, das mit dem Song kommt. Die Titel sollen einen gewissen Aufforderungscharakter haben: „Beschäftige dich doch noch etwas mehr mit dem Titel, vielleicht gibt er dir dann mehr Auskunft über den Inhalt des Textes.“ Das ist aber auch nicht bei allen Songs gleich. Bei dem angesprochenen ‚Stegodon‘ muss man ganz schön um die Ecke denken. Kleiner Tipp: Ersetzt man den Titel im Text des Songs, durch den letzten überlebenden Vertreter derselben Ordnung, ergibt sich ein Reim. Bei anderen Songs hingegen ist der Titel eine Wortschöpfung.

Auf amerikanischen Musik-Kanälen auf YouTube werdet Ihr gerne als Geheimtipp erwähnt. Fühlt Ihr euch einer bestimmten Szene zugehörig und wie ist der Unterschied zwischen Deutschland und dem Ausland?
Diesen Geheimtipp-Stempel werden wir irgendwie nie los. Das ist auf der einen Seite schmeichelnd, steht uns manchmal aber, glaube ich, auch im Wege. Genau wie die deutsche Sprache, die grad im Metal-Genre extrem hinderlich sein kann – gerade dann, wenn es ins Ausland geht. Wir haben einige Shows in Großbritannien gespielt. Die Auftritte selber sind davon nicht beeinträchtigt – dort spielt die Sprache weniger eine Rolle. Einer bestimmten Szene fühlen wir uns dementsprechend auch nicht zugehörig. Wir bekommen von einschlägigen Genre-Festivals auch teilweise zu hören, dass wir nicht in ihr Metal-Line-Up passen würden.

Ihr seid in der Hansestadt quasi Stammgäste, wenn Ihr auf Tour geht. Was verbindet euch mit Bremen?
Ich bin in Bremen geboren (Links der Weser), in Weyhe bei Bremen aufgewachsen und habe meinen Zivildienst in Bremen auf der Stadtteilfarm Huchting gemacht. Ich bin außerdem Mitbegründer des Vereins ‚Musikszene Bremen e. V. ‚ und war auch in der Bremer Musikszene vor ‚The Hirsch Effekt‘ lange mit anderen Bands aktiv. Bremen ist nach wie vor meine Heimatstadt. Ich fühle mich auch sehr der Weser verbunden, die auch gar nicht so weit von Hannover fließt und die ich jedes Jahr mehrere Male mit dem Kanu besuche.

Christoph Becker

Am 9. November um 20 Uhr, Tower

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