Schmutziges Gerede hat gerade Hochkonjunktur: In der Politik, in den sozialen Medien, in privaten Beziehungen. Ein gefundenes Fressen für die schlagfertige Lisa Feller, an der in den vergangenen Jahren kaum jemand vorbeigekommen ist. In ihrem neuen Live-Programm ‘Dirty Talk’ lässt sie uns wissen, was sie von dieser speziellen Mundart hält.
Bekannt wurde die aus Düsseldorf stammende Comedienne durch die legendäre Impro-Comedyserie ‘Schillerstraße’ und die KIKA-Sendung ‘Schloss Einstein’. Seit Jahren ist die in Münster lebende Stand-Up-Komikerin, Moderatorin, Podcasterin und Schauspielerin im Fernsehen präsent. Die 47-Jährige engagiert sich privat für ‘Frauenhaus und Beratung e.V’. in Münster und unterstützt die Arbeit des Vereins Roter Keil.
Der BREMER sprach mit der sympathischen Entertainerin über ‘Dirty Talk’, Frauen in der Comedy-Szene und das Vorurteil, dass Komiker:innen hinter der Bühne gar nicht lustig sind.
Worum geht es in Deinem aktuellen Programm?
Um das große Miteinander. Ich finde, dass der Ton zwischen den Menschen so rau geworden ist. Sowohl im öffentlichen Raum als auch im Alltag. Es wird viel schmutzig geredet, wenig miteinander, stattdessen übereinander. Da wollte ich eine Lanze für die schönen Töne brechen und gleichzeitig klar machen: Ich habe nichts gegen Dirty Talk, wenn er da stattfindet, wo er hingehört – und zwar ins Schlafzimmer.
Welche Form von schmutzigem Gerede bringt Dich so richtig auf die Palme?
Wenn man sich nicht mehr zuhört und urteilt, bevor man mehr weiß. Das macht sich vor allem in den sozialen Medien bemerkbar.
Was wünschst Du Dir stattdessen?
Dass wir uns alle mal wieder beruhigen. Man muss nicht zu allem etwas sagen. Vielleicht überlassen wir denen wieder das Feld, die sich mit den Themen auskennen.
Dein Motto lautet „Seid wieder netter zueinander!“. Wie kann das gelingen?
Indem man es einfach ist. Es heißt doch „Wie es in den Wald hineinruft, so schallt es heraus.“ und ich finde das stimmt. Deshalb entscheide ich selber ganz häufig, ob das gelingt. Ich bin glücklicherweise mit einer positiven Grundstimmung gesegnet und habe die Erfahrung oft genug gemacht, dass es mir guttut, wenn ich Menschen fröhlicher zurücklasse, als sie gekommen sind. Das ist auf der Bühne so, aber das funktioniert genauso zum Beispiel an der Tankstelle. Natürlich kann man schimpfend sagen: „Seid wieder netter zueinander“, aber wenn man zwei Stunden lang gelacht hat, hat man nicht so die Lust, pöbelnd das Theater zu verlassen. Deshalb ist meine Show mein kleiner bescheidener Beitrag dazu, wieder netter zueinander zu sein.
Du bist eigentlich eine Meisterin der Improvisation. Was gefällt Dir denn besser – die geplante Stand-Up-Comedy-Nummer oder das Impro-Theater?
Das eine beeinflusst das andere in guter Weise. Ich muss mich da gar nicht entscheiden. Bei meiner Stand-Up-Comedy ist immer ein improvisierter Anteil dabei. Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, weiß ich, es gibt einen Ausweg. Eine Szene geht weiter, egal wie.
Wie gehst Du damit um, wenn eine Pointe das Publikum nicht mitnimmt?
Wenn mir das im Stand-Up-Comedy passiert, ist das meistens eine, die ich schon oft gebracht und dann nicht ausreichend ausgeführt habe, sodass man sie nicht versteht. Im Impro-Theater denkt man oft zu verkopft, weshalb es nicht funktioniert. Meistens liegt es nicht am Publikum. Wenn ich aber eine Pointe gut vorbereitet habe und das Publikum lacht dreimal nicht, dann muss ich mich eben von ihr verabschieden.
Wann fühlst Du Dich selber von einem Comedy-Programm abgeholt?
Wenn es meine Lebenswirklichkeit betrifft und ich am Ende überrascht werde. Wenn ich von Anfang an weiß, worauf es hinausläuft, dann kann ich vielleicht schmunzeln, weil es gut erzählt ist, aber wenn es mich überrascht, dann bricht es so aus mir heraus. Das mag ich gerne.
Die Comedy-Szene ist immer noch sehr männerdominiert. Was denkst Du, woran das liegt?
Die Antwort ist sehr komplex, ich denke, dass es ganz viele Ursachen hat. Ich höre zum Beispiel immer wieder von Frauen, dass sie oft gedacht haben: „Ach, wen interessiert schon, was ich zu erzählen habe“. Ein Mann findet prinzipiell immer bedeutsam, was er sagt. Egal, ob er was zu erzählen hat oder nicht. Das ist einer von vielen Gründen, weshalb die dann da oben stehen. Ich bin ganz froh, dass sich jetzt mehr Frauen auf die Bühne trauen und es selbstverständlicher geworden ist. Man ist nicht mehr so überrascht „Oh Gott, dieser Witz wurde von jemandem mit Brüsten erzählt, funktioniert das überhaupt?“ Ja, weil’s dem Witz egal ist!
Siehst Du Dich selber als Vorbild für die weibliche Comedy-Szene?
Das kann ich nicht sagen. Manchmal sagen mir junge Künstlerinnen, sie haben mal etwas von mir gesehen und sich dadurch inspiriert gefühlt. Das freut mich, weil ich ja auch inspiriert worden bin. Vorbild ist immer so ein starkes Wort. Wir geben alle mit dem, wie wir sind, in der Welt einen Eindruck ab. Und wenn dann jemand sagt, das hat was Gutes mit ihm gemacht, dann kann man sich schon freuen.
Von wem lässt Du Dich denn inspirieren?
Der erste Comedian, von dem ich Fan war, war Hape Kerkeling. Von dem habe ich einiges mitgenommen, vor allem, wie liebevoll er mit seinem Gegenüber umgeht. Ich finde es ganz schlimm, wenn der Comedy-Inhalt darin besteht, sein Gegenüber lächerlich zu machen. Ansonsten aus vielen Kleinigkeiten. Das können auch Situationen im Bus sein. Ich laufe mit sehr offenen Augen und empfangsbereiten Antennen durch die Welt.
Was sagst Du zu dem Vorurteil, dass Komiker:innen im „wahren Leben“ eher unlustig oder zurückhaltend sind?
Ich habe schon alles erlebt. Von ‘es kommt jemand von der Bühne und der ist sofort wieder bei sich und ganz still’ bis zu ‘jemand unterhält hinter der Bühne alles und jeden, vor dem Publikum funktioniert’s dann aber so semi’. Das ist also gar nicht so viel anders als in anderen Branchen.
Und wie ist das bei Dir persönlich?
Ich bin nicht still. (lacht) Ich muss nicht unbedingt im Mittelpunkt stehen, dennoch bin ich tatsächlich wie auf der Bühne. Ich bin fröhlich und lache gerne. Und ich freue mich, wenn ich auf die anderen Comedians treffe.
Chantal Moll