Marie Luise Ritter, 30 Jahre alt, ist Journalistin und Autorin. Sie hat sich erst Hamburg und nun Berlin als ihre Wahlheimat ausgesucht. Auf Instagram (@luiseliebt) nimmt die Influencerin ihre Leser:innen mit in ihren Alltag, auf ihre Reisen und zu immer neuen Abenteuern. Kürzlich hat sie sich einen großen Traum erfüllt und ist allein für einige Monate ans Meer gezogen. In einem exklusiven Interview sprach die BREMER-Autorin Fanny Quest mit Marie Luise Ritter über ihr neuestes Buch.

Marie Luise Ritter im Interview

BREMER: Was unterscheidet Alleinsein und Einsamkeit?
Ritter: Das Wort „Einsamkeit“ hat grundsätzlich eine eher negative Konnotation, während „allein zu sein“ sowohl ein unfreiwilliger als auch ein bewusst gewählter Zustand sein kann. Es ist meiner Meinung nach wichtig, den Unterschied zu verstehen: Wir können allein sein, aber nicht einsam. Das bedeutet, dass wir mit dem gegenwärtigen Moment so zufrieden sind, dass uns nichts fehlt. Andererseits können wir auch in Gesellschaft sein, aber dennoch einsam. Das geschieht zum Beispiel, wenn wir uns nicht wertgeschätzt fühlen oder in einer für uns ungeeigneten Umgebung sind. Einsamkeit muss nicht zwangsläufig mit dem Alleinsein verbunden sein.

Warum ist es wichtig, das Alleinsein zu schätzen?

Wenn man das Alleinsein nicht als einen gleichwertigen Zustand schätzt, fühlt es sich für mich so an, als würde man sein Leben in einem Wartezimmer verbringen. Man wartet darauf, dass jemand kommt, der etwas mit einem erleben möchte. Doch selbst wenn niemand da ist, sollte man sich nicht davon abhalten lassen, Möglichkeiten wie ein Konzert, auf das man gerne gehen würde, wahrzunehmen. Und manchmal ist die Zeit alleine sogar noch besonderer. Ich kann sagen, dass ich all die Dinge, die ich alleine unternommen habe, auf eine ganz besondere Art und Weise intensiv in Erinnerung behalten habe. Es ist, als ob ich mich dadurch noch stärker mit mir selbst verbunden fühle.

Wie können wir es genießen?

Indem wir uns von möglichen Bewertungen von Außenstehenden befreien, können wir zunächst die Angst vor Situationen wie dem alleinigen Restaurantbesuch überwinden. Die Sorge „Was könnten andere über mich denken?“ ist bei vielen präsent, obwohl die meisten Menschen so sehr mit sich selbst beschäftigt sind, dass sie kaum auf ihre Umgebung achten. Wenn wir uns nicht um unsere äußere Wahrnehmung kümmern, können wir wirklich die Gesellschaft unseres eigenen Selbst genießen. Darüber hinaus erkennen wir die Vorteile des Alleinseins: keine Kompromisse eingehen zu müssen, selbstbestimmt durch den Tag zu gehen und offener für Neues zu sein. Insbesondere auf Reisen bin ich offener für neue Kontakte, wenn ich alleine unterwegs bin, da ich mein Zuhause nicht dabei habe.

Inwiefern können wir das Alleinsein nutzen, unsere Persönlichkeit zu stärken?

Wenn ich alleine gereist bin und mich an einem Ort unwohl gefühlt habe, gab es niemanden, dem ich die Entscheidung überlassen konnte, wie es weitergehen soll. Ich war immer selbst für alles verantwortlich. Das mag unbequem sein, aber es birgt auch eine immense Stärke! Man muss alles selbst in die Hand nehmen: jede Entscheidung treffen, die Planung übernehmen, sich zurechtfinden. Oder wenn man alleine lebt, muss man sogar die lästigste Lampe selbst anbohren. Es verleiht einem ein Gefühl von Selbstwirksamkeit, Dinge alleine zu bewältigen und sich auf niemanden zu verlassen, weil man es eben alleine schaffen muss. Es vermittelt mir das Gefühl, dass ich alles schaffen kann, wenn ich es wirklich will. Es macht mutig und lässt einen über die eigene Komfortzone hinauswachsen. Es stellt einen vor Aufgaben und Herausforderungen. Ich glaube fest daran, dass man dadurch ungemein wächst.

Wir leben in ständiger Erreichbarkeit: Wie Zeit für uns selbst nehmen?

Es ist irgendwie seltsam, ständig für andere erreichbar zu sein. Es fühlt sich an wie ein unaufhörlicher Strom, der über uns hinwegfließt. Als ich in einer abgelegenen Hütte in den Bergen über einem See in Guatemala übernachtete, ohne Strom oder Empfang, ging mein Handy irgendwann einfach aus. In diesem Moment wurde mir klar, wie entspannend es sein kann, keine aufploppenden Nachrichten zu haben, die man beantworten muss. Es war befreiend, nichts zu haben, auf das ich alle paar Minuten starren musste, mit der Angst, etwas zu verpassen. Die Welt rennt einem nicht davon. Natürlich kann man diese Erfahrung nicht komplett in den Alltag übertragen, aber ich glaube, es ist hilfreich, aktiv Zeit für sich selbst zu reservieren. Sich sozusagen „mit sich selbst“ zu verabreden und feste Termine wie Verabredungen in den Kalender einzutragen. Das Handy beiseitezulegen und einfach nur die eigene Gesellschaft zu genießen.

Ab wann ist man zu viel allein? Was ist eine gesunde Balance?

Das Ausmaß des Alleinseins und das Gefühl der Einsamkeit sind grundsätzlich subjektiv und variieren je nach individueller Persönlichkeit. Es ist wichtig, zwischen introvertierten und extravertierten Menschen zu unterscheiden: Nicht jeder benötigt kontinuierlichen Kontakt zu anderen, um sich wohlzufühlen. Jedoch kann das Alleinsein in soziale Unverträglichkeit umschlagen, wenn es schwierig ist, sich in Gruppen einzufügen oder wenn es die eigenen sozialen Fähigkeiten und Kapazitäten beeinträchtigt. Eine gesunde Balance besteht meiner Meinung nach darin, sowohl die Gesellschaft anderer Menschen zu genießen als auch die Zeit allein zu schätzen und sich in beiden Situationen wohlzufühlen.

Hast du ein Lebensmotto?

„So jung kommen wir nicht mehr zusammen“. Ich liebe diesen Spruch. Vor allem sagt er: Leben, das ist genau jetzt. Womit wir wieder bei der Wartezimmer-Metapher vom Anfang sind. Es ist wichtig, die eigene Lebenszeit wertzuschätzen, egal in welcher Situation man sich gerade befindet.

FQ

 

Buch von Marie Luise Ritter vom Glueck, allein zu sein. Piper Verlag
Cover von ‚Vom Glück, allein zu sein‘

Marie Luise Ritter
Vom Glück, allein zu sein

Marie Luise Ritter erkundet auf einfühlsame Weise die Themen Alleinsein und Einsamkeit und eröffnet neue Perspektiven auf das Leben und unsere Beziehungen zu anderen Menschen. Sie entführt uns an verlassene Strände und belebte Straßen, erzählt von fernen Orten und einsamen Abenden in ihrer Wohnung. Dabei zeigt sie uns die Bedeutung und das Glück, im Einklang mit uns selbst zu sein. Eine zentrale Frage des Buches lautet: Warum fühlen wir uns oft unbehaglich, wenn wir Dinge allein unternehmen, obwohl wir theoretisch in der Lage sind, sie ohne Begleitung zu tun? Ritter hinterfragt die gängigen gesellschaftlichen Vorstellungen und regt zum Nachdenken an. Lebt der Mensch tatsächlich nur für andere, oder können unsere Erfahrungen sogar wertvoller werden, wenn wir sie mit niemandem teilen? Das Buch ist ein leidenschaftliches Plädoyer für Mut, Selbstständigkeit und die Fähigkeit, das Alleinsein zu genießen. Piper Paperback 17€

(Foto: Maria Braun Studio)

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