Über wenig anderes gibt es in Sachen Hund unter Zweibeinern mehr Zerwürfnisse als über das Anleinen der Vierbeiner – für die einen ist es unabdingbar und ein Kardinalfehler, es nicht zu tun, für die anderen ist es eine schlicht überflüssige Freiheitsberaubung der geliebten Fellnase.

Nachdem mein alter Weimaraner im biblischen Alter von 14 ½ Jahren verstarb, zog kürzlich ein neuer vierbeiniger Mitbewohner bei mir ein. Selbstredend ebenfalls ein ‘Grauer’ – denn wie heißt es doch so schön: ‘Ein Leben ohne Weimaraner ist zwar möglich – aber sinnlos’.
Als ich vor kurzem in einem der Parks unserer Umgebung mit ihm unterwegs war, erblickte uns aus 50 Metern Entfernung ein Reh. Bambi und ich nahmen uns über Minuten gegenseitig ins Visier – mein Hund blieb von dem Tier gänzlich unbeeindruckt und setzte sich erstmal zum Verschnaufen hin. In meiner Stadtteilgruppe eines bekannten sozialen Netzwerks postete ich dann ein paar Fotos – vom Reh im Park und von meinem tiefenentspannt sich ausruhenden Welpen – ohne Leine.

Die erste Reaktion, die kam, war ein wütendes Emoji, gefolgt von der Frage, wo denn die Leine sei. Infolge entwickelte sich eine lebhafte Diskussion darüber, ob mein Welpe jetzt angeleint werden müsse oder nicht.
Ich wage zu behaupten, dass sowohl meinem Hund als auch Bambi diese Diskussion relativ schnuppe ist. Auch lässt sich nicht feststellen, ob das Foto von meinem nicht angeleinten Hund nun im Park oder in meinem Garten aufgenommen wurde. Also ist diese Diskussion schlichtweg auf jeden Fall eines gewesen: überflüssig.

Was mich dennoch nachdenklich stimmt, ist, dass es in Bremen, wo die Hundesteuer mit 150,- Euro im Jahr so hoch ist wie an kaum einem anderen Ort Deutschlands, kaum Flächen gibt, an denen Hund und Halter sich unbefangen ohne Leine aufhalten können, ohne sich der Gefahr wütender Diskussionen oder gar eines Bußgeldes auszusetzen.
Was in Bremen gern gemacht wird, ist ‚drüber reden‘ – umgesetzt wird in dieser Hinsicht für mich und meinen Hund spürbar bislang jedoch wenig bis gar nichts.
Es gibt zahlreiche Vorschläge, Petitionen, offenbar gar Deputationssitzungen, in denen die Thematik ‚leinenfreie Auslaufflächen‘ besprochen wird – der Haken daran: allein vom ‘Besprechen’ wird nichts bewirkt – vielleicht allenfalls, dass Warzen verschwinden – leinenfreie Grünflächen in jedem Stadtteil, die bequem zu Fuß erreichbar sind, lassen in Bremen – einer Stadt, die sich rühmt, zu den grünsten Städten Deutschlands zu zählen, nach wie vor auf sich warten.

Was bleibt mir also jetzt? Mir, die beschlossen hat, dass Clinton, 10 Wochen alt, schnell lernen soll, mir möglichst oft ohne Leine zu folgen, was gerade bei Junghunden spielend leicht gelingt, weil man sich den natürlichen Folgetrieb des Welpen zunutze machen kann. Soll ich meine Überzeugungen über Bord werfen und meinen Hund, wie in Bremen offenbar gewollt, ständig an die Kette legen? Oder soll ich beim Ordnungsamt nachfragen, ob ich dort eine Art ‚Bußgeld-Abo‘ ab­schließen kann, das in etwa auf der Grundlage ‘Zehn Bußgelder bekommen, aber nur fünf bezahlen’ basiert? Wenn ich so darüber nachdenke, scheint weder der eine noch der andere Weg faktisch umsetzbar zu sein…
Uppppsiii…jetzt muss ich aber schleunigst weg vom Schreibtisch…bei der ganzen Nachdenkerei über das leidige Leinenthema hat mir mein Welpe gerade mal wieder gezeigt, was wirklich wichtig ist: schleunigst raus, wenn er muss – und das pronto – egal ob mit oder ohne Leine – sonst wird mein Fußboden gewässert – und das reichlich!

Regina Gross
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