Obwohl ich politisch nicht uninteressiert bin, ist der Bremer Wahlkampf seit einigen Jahren für mich ähnlich spannend, wie beim Arzt im Wartezimmer auszuharren – wen ich wähle, werde ich hier nicht ausplaudern, aber ein Slogan hat für mich das Dilemma, in dem wir uns gerade befinden, kurz und bündig auf den Punkt gebracht.

n pinker Schrift auf gelbem Untergrund stand er da, dieser Spruch: „Belehren. Gängeln. Verbieten. Ohne uns.”, und traf direkt die emotionale Verfassung, in der ich mich befand, als ich ihn las. Unmittelbar vorher meinte jemand, mich darüber belehren zu müssen, dass der Ausdruck ‘Putzfrau’, den ich doch tatsächlich gewagt hatte, in den Mund zu nehmen, nicht verwendet werden dürfe. Da dieser Mensch keine Putzfrau ist, außerdem die Putzfrauen, die ich kenne, sich selbst als eben solche bezeichnen und ich das Wort in keinerlei abwertendem Zusammenhang benutzt hatte, ging mir dieses „Verbot“ am Allerwertesten vorbei. Was mich allerdings irritierte, war die Selbstverständlichkeit, mit der sich dieser Mensch dazu berufen fühlte, mich in meiner Wortwahl einschränken zu können. Er bekam von mir eine entsprechende Antwort auf sein anmaßendes Ansinnen, was uns aber beide auch nicht wirklich glücklich machte. Ja, wer lässt das schon gern mit sich machen, dachte ich dann, aber offenbar scheinen etliche das für ihr Ego zu brauchen – belehren, gängeln, verbieten.

Wer will es ihnen auch verübeln – haben wir uns gesellschaftlich nicht in den letzten Jahren zu einer regelrechten Verbotskultur entwickelt, die die Menschen geradezu dazu auffordert, sich zu selbsternannten Hütern von Ordnung und Moral aufzuschwingen?

Wie bin ich es leid, auf Menschen zu treffen, die offenbar geradezu einen Lebensauftrag darin sehen, mir ihre selbsternannten Sprachgesetze aufdrücken zu wollen, seien es nun irgendwelche vermeintlich „untunlichen“ Wörter oder – im Namen der Geschlechterdiversität – irgendwelche sperrigen Ausdrücke, die allenfalls dazu führen, meinen Text- beziehungsweise Sprachfluss zu behindern. Wie bin ich es leid, mir im Namen des Klimaschutzes sagen zu lassen, ich dürfe kein Fleisch mehr essen oder zumindest viel, viel weniger, als ich es für gewöhnlich zu mir nehme. Wie satt habe ich die empörten Reaktionen in meinem Umfeld, wenn ich es wage, die Frage aufzuwerfen, ob es nicht möglich sei, die Umsetzung der Klimaziele mit ein bisschen weniger Panik und ein wenig mehr Weitblick zu verwirklichen, vor allem auch mit Rücksicht auf die breite Masse der Bevölkerung, die diese hehren Ziele schlussendlich bezahlen muss.

Wie wäre es denn gewesen, wenn man nicht so getan hätte, als ob die Bundeswehr nur noch acht Helme und drei Uniformen in ihrem Arsenal habe, um diese 100 Milliarden Euronen „Sondervermögen“, sprich: Schulden, zu rechtfertigen, sondern dieses Geld stattdessen dazu verwendet hätte, um uns  Menschen dabei zu helfen, unsere vier Wände, in denen wir leben, klimaneutral umrüsten zu können? Wie kann es sein, dass allerorts vermeldet wird, dass die Öl- und Gas- und Stromkonzerne im letzten Jahr Rekordgewinne eingefahren haben, aber etliche Verbraucher  durch die gestiegenen Energiepreise derart belastet wurden, dass sie kurz vor der Pleite stehen? Durch das kürzlich beschlossene Verbot fossiler Heizungen werden die Sorgenfalten in den Gesichtern der Menschen, auch in meinem, nicht etwa geglättet, sondern zu tiefen Furchen vermeißelt. Wieder einmal ist jetzt außerdem zu hören, dass „die Außengrenzen“ dicht gemacht und verstärkt abgesichert werden sollen, weil „die“ Kommunen mit den Flüchtlingsströmen überfordert seien – gehen Sie doch mal bitte gaaanz tief in sich und denken Sie nach: was würden Sie machen, lebten Sie in einem Land, in dem ein Krieg wütet oder die politische und wirtschaftliche Unsicherheit dermaßen groß ist, dass Sie um die Existenz Ihrer Familie und/oder Ihrer selbst bangten? Eben – auch ich hätte meine Koffer gepackt und mich aufgemacht in eine bessere Zukunft irgendwo anders.

Ich schweife ab, all diese Themen betreffen die Bundespolitik – aber dennoch betrifft uns das alles ja auch hier in Bremen.

Wo sind wir gesellschaftlich gelandet? Haben uns drei Jahre Pandemie zu Verbotsfanatikern werden lassen? Zu selbstgefälligen Hütern der Moral, gar zu Denunzianten und Petzen, wenn einer mal aus der politisch angeordneten Reihe tanzt? Ist das jetzt unser Auftrag? Zu verbieten, was nicht niet- und nagelfest ist, alles zum vermeintlichen „Wohle“ oder „im Namen von…“?

Zum Wohle der Gesundheit, zum Wohle des Klimas, zum Wohle der Diversität, zum Wohle der inneren Sicherheit, zum Wohle von Recht, Ordnung und Moral? – Wie soll es denn sonst gehen, wird manch einer von Ihnen einwenden und vielleicht haben Sie Recht damit, aber ich glaube das nicht, denn meine feste Überzeugung ist, dass nichts „alternativlos“ ist – es geht immer auch anders. Vielleicht bin ich aber nur der Zuschauer am Spielfeldrand, der es immer besser weiß als die Protagonisten auf dem Platz. Dennoch meine ich, dass es oberste Aufgabe von Politik ist, Menschen zu einen, damit Ziele erreicht werden und nicht, sie durch Verbote in zerstrittene Lager aufzuspalten.

Whatever – auf jeden Fall gehe ich wählen am 14. Mai – Sie auch?

Regina Gross
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