Zwar ist 2023 noch vergleichsweise jung – die ersten zarten Frühlingsknospen sind zu sehen – aber bei manchen Verbalentgleisungen meiner Mitmenschen bin ich geneigt, schon jetzt einen Wettbewerb auszurufen – es wird gekürt: Der dümmste Satz des Jahres, und ich hätte da schon ein paar auf meiner Liste.

Geradezu hitverdächtig und derzeit auf den obersten drei Plätzen rangierend ist für mich der Satz: „Dieser Meinung sind wir übrigens alle“, den der sich Entäußernde gern mal zur Stärkung des vorher von ihm Gesagten verwendet. In aller Regel beinhaltet das vorher Gesagte eine wie auch immer geartete Forderung an das Gegenüber. Hierbei scheint der Fordernde sich offenbar selbst im Klaren darüber zu sein, dass der Adressat gänzlich anderer Ansicht sein wird als er selbst und schiebt kurzerhand zur Stärkung seiner Position eine unbegrenzte Menge von Fürstreitern hinzu, ohne sie konkret in persona benennen zu wollen: „alle“. Vielleicht geht es nur mir so, aber ich höre diese Sentenz vergleichsweise oft – und in zunehmendem Maße reagiere ich genervter darauf. „Oha“, entfuhr es mir da letztens, „seit wann drückst du dich im Pluralis Majestatis aus – oder muss ich mir Gedanken darüber machen, ob du mittlerweile an einer multiplen Persönlichkeitsstörung leidest?“ Mein Gesprächspartner reagierte zuerst ein wenig begriffsstutzig und dann beleidigt mit der Folge, dass jetzt Funkstille herrscht, aber immerhin hab ich jetzt erst mal meine Ruhe.

Ein weiterer Kandidat für die Top drei ist der Spruch: „Das macht man nicht.“ Meine Antwort darauf hat sich schon fast zu einem Automatismus entwickelt – meine Frage, wer denn überhaupt dieser „man“ ist, der das nicht macht, konnte mir bislang noch keiner zufriedenstellend beantworten.

Im Strahl kotzen konnte ich eine Zeit lang beim Hören der Wendung: „Ich hab es doch nur gut gemeint“ – ein auf den ersten Blick harmloser Satz, den man fast als eine Entschuldigung missdeuten könnte, aber seien Sie versichert: eine Entschuldigung ist das keineswegs, vielmehr eine Rechtfertigung des „gut gemeinten“ Verhaltens. Da das Gegenteil von „gut“ aber bekanntermaßen „gut gemeint“ ist und ich auch nicht müde werde, das dem jeweils Gutmeinenden zu erklären, werde ich mit dieser Floskel mittlerweile schon gar nicht mehr konfrontiert.

Besonders gern höre ich folgende Hohlphrase, die auch häufig zur Bekräftigung des vorher Gesagten genommen wird: „Das haben wissenschaftliche Studien eindeutig ergeben.“ Puuuuuh, ich kann Ihnen sagen, dass ich, wenn ich diese Worthülse höre, immer von mindestens acht anderen Studien weiß, die genau zum gegenteiligen Ergebnis gekommen sind.

Ziemlich abgenudelt, aber immer noch gern gedroschen ist der Spruch: „Da bin ich ganz bei dir“, meist gefolgt von einem einschränkenden „aber“. Bei solchen Äußerungen muss ich erstmal ganz tief Luft holen, um die Bilder aus dem Kopf zu bekommen, die  unwillkürlich als Reaktion auf diesen Satz vor meinem geistigen Auge auftauchen. Wie „ganz bei mir“ wähnt sich der Äußernde denn in diesem Moment? Besser nicht vertieft drüber nachdenken.

Sei’s drum – vielleicht ist meine Aufregerei über diesen Verbalmist auch völlig belanglos – Notizzettel und Stift liegen bereit und warten geradezu gespannt darauf, was der Rest dieses Jahres noch an Floskelmist zu bieten hat.

Regina Gross
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